Plötzlich Opposition: Die FDP will trotzdem ein zentrales Versprechen aus dem Ampel-Koalitionsvertrag umsetzen. Dass das gelingt, ist jedoch sehr fraglich.
Kurz vor dem Ampel-Aus Anfang November war es ein heiß diskutiertes Vorhaben des damaligen Finanzministers Christian Lindner (FDP), jetzt wollen es die Liberalen im Bundestag zur Abstimmung stellen, auch ohne entsprechende Beschlussmehrheit: Am Mittwoch bringt die FDP-Fraktion einen Gesetzesentwurf zur Reform der privaten Altersvorsorge ins Plenum ein.
Der 112 Seiten umfassende Entwurf, den die Fraktion am Dienstag beschlossen hat, liegt t-online vor. Kernpunkt ist die Einführung eines sogenannten Altersvorsorgedepots, das zuletzt auch als „Lindner-Depot“ firmierte. Die Idee: Bis zu einem Anlagevolumen von 3.000 Euro pro Jahr soll der Staat für jeden investierten Euro 20 Cent dazugeben. Auf diese Weise würde der Staat Bürgern, die mit Aktien fürs Alter vorsorgen, bis zu 600 Euro im Jahr zukommen lassen. Die Erträge sollen, so sie erst im Alter genutzt werden, steuerfrei bleiben, damit der Zinseszinseffekt die größtmögliche Wirkung entfaltet. (Mehr zu den Details der einstigen Ampel-Idee lesen Sie hier.)
Neu gegenüber dem ursprünglichen Plan von Lindners Ex-Ministerium ist, dass nicht nur Angestellte von der Förderung profitieren sollen, sondern auch Selbstständige. Dafür hatte Lindner vorab auch in einem Gastbeitrag für t-online geworben, den Sie hier nachlesen können.
Der stellvertretende Fraktionschef der Liberalen Christoph Meyer sagte t-online zu dem Gesetzentwurf, die FDP mache die private Altersvorsorge für jeden möglich – Arbeitnehmer und Selbstständige gleichermaßen. „Unsere Idee für ein Altersvorsorgedepot macht individuelles Anlegen und Investieren so einfach wie noch nie“, so Meyer. Egal, ob kleinere oder größere Beträge, ob weniger oder mehr Risiko bei der Anlage: Jeder könne so agieren, wie er oder sie es möchte. „So schafft die FDP für die Bürger eine wirksame Reform und für die individuelle Zukunft bestmögliche Vorsorge – alles, was die Große Koalition von CDU/CSU und SPD missachtete.“
Dass das Gesetz beschlossen wird, ist nach dem Ampel-Aus jedoch fraglich. Zwar wurde der Vorschlag im Gegensatz zu vielen anderen Vorhaben der einstigen Regierungskoalition von den jeweils anderen Ampelpartnern nicht sofort zerredet, was auch an den vergleichsweise geringen Kosten von zunächst weniger als einer halben Milliarde Euro pro Jahr gelegen haben dürfte.
Dennoch bleibt das Altersvorsorgedepot als Relikt des einst geltenden Koalitionsvertrages vor allem ein Anliegen der FDP – und SPD und Grüne dürften kaum Lust haben, den Liberalen diesen Erfolg nach dem Platzen des Regierungsbündnisses zu gönnen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr wandte sich dennoch schon am Dienstag fast bittend an seine früheren Regierungspartner: „Es würde mich wirklich freuen, es wäre ein großer Schritt, wenn das gelingt.“ Gleichwohl habe er noch „keine Signale“ von SPD und Grünen erhalten, dafür jedoch biete die Plenardebatte ja gute Gelegenheiten.
Nach dem Scheitern der Ampelkoalition stehen zahlreiche Vorhaben auf der Kippe. Die vorgezogene Neuwahl ist am 23. Februar geplant. Ab Januar sollte nach Plänen der Ampel das Kindergeld steigen und auch der Kindersofortzuschlag für Familien mit geringem Einkommen. Außerdem wollte Ex-Finanzminister Lindner den Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer ausgleichen, die sogenannte kalte Progression, die entsteht, wenn Bürger durch den ansteigenden Steuertarif auch dann mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht.
Hier wiederum signalisierte die FDP Zustimmung zur Ankündigung der Minderheitskoalition von SPD und Grünen. Einer Anpassung des Einkommensteuertarifs und einem damit verbundenen Ausgleich der kalten Progression könne man auch dann zustimmen, wenn wie von Rot-Grün geplant im selben Zuge eine Erhöhung des Kindergeldes beschlossen werden soll. Eine „absurde Verknüpfung“ mit anderen, dritten Vorhaben jedoch lehnte Dürr am Dienstag ab.