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Home » Von der kleinen Sekte zur Weltreligion
Panorama

Von der kleinen Sekte zur Weltreligion

Von zeit-heute.deDezember 21, 20254 Min Gelesen
Von der kleinen Sekte zur Weltreligion
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Von der kleinen Sekte zur Weltreligion

Zu diesem Zeitpunkt war das Christentum bereits auf dem Vormarsch. Aber es gab immer wieder Zeitpunkte, an denen diese anfangs kleine Religion auch ohne weiteres hätte untergehen können.

Eine große Rolle spielte sicher die Niederschlagung des Jüdischen Aufstands durch die Römer im ersten Jahrhundert. Die folgende Vertreibung führte dazu, dass auch das frühe Christentum Verbreitung fand. Strittig ist bis heute, wie hoch die Zahl der Christen im Römischen Reich bis hin zu Konstantin dem Großen gewesen ist. Schätzungen gehen von zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung aus, diese Zahl kann unmöglich stimmen.

Woran machen Sie Ihren Zweifel fest?

Wir wissen, dass 85 Prozent bis 90 Prozent der Gesamtbevölkerung des Reiches Bauern gewesen sind. Das Christentum hat sich aber erst im sechsten Jahrhundert systematisch auf dem Land ausgebreitet. Wenn nun jemand behauptet, dass bis zu 15 Prozent der römischen Bevölkerung Christen waren, dann würde das bedeuten, dass die gesamte Einwohnerschaft der Städte des Imperiums aus Christen bestand. Wir wissen aber, dass selbst in Antiochia, der Stadt mit der ältesten und beständigsten christlichen Bevölkerung, nur rund ein Drittel der Bevölkerung zwei Generationen nach Konstantin christlich war.

Stellt sich die Frage, warum Kaiser Konstantin im vierten Jahrhundert Christ wurde und damit dieser Religion langfristig den Durchbruch verschaffte?

Vermutlich war Konstantins Familie christlich beeinflusst und geprägt. Das dürfte ein wichtiger Impuls gewesen sein; die Schlacht an der Milvischen Brücke im Jahr 312 gegen seinen Rivalen Maxentius, die er angeblich im Zeichen des Christusmonogramms gewann, müssen wir mit aller gebotenen Vorsicht betrachten. Göttliches Wohlwollen behaupteten zahlreiche Herrscher in der Geschichte. Tatsächlich ist Konstantins Bekehrung als Teil der Transformation der Eliten des Imperiums zu betrachten.

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Schlacht an der Milvischen Brücke 312 nach Christus: Nach seinem Sieg bekannte sich Konstantin der Große zum Christentum. (Quelle: Heritage Images/ullstein-bild)

Lässt sich überhaupt von einem einzigen Christentum in dieser Zeit sprechen?

Nur mit Abstrichen. Es waren zunächst autonome, weitgehend selbstverwaltete christliche Gemeinden, die ihre eigenen Bischöfe wählten und nur gelegentlich Kontakt miteinander hatten. Zu diesem frühen Zeitpunkt gab es innerhalb des Christentums keine zentrale Autoritätsstruktur, es existierte ein breites Spektrum an Meinungen und Ansichten zur Religion. Wir sollten dieses frühe Christentum als eine fromme Sekte betrachten, die ihren Mitgliedern hohe Verhaltensstandards abverlangte. Bereits die Aufnahme war langwierig und bestand aus einem jahrelangen Prozess. Die Taufe stand übrigens an dessen Abschluss, nicht Beginn.

Nach Konstantins Bekehrung ging es relativ schnell mit der fortschreitenden Etablierung des Christentums.

Das klassische griechisch-römische Heidentum war binnen 80 Jahren nahezu beendet. Als die alten Tempel der spätrömischen Welt geschlossen wurden, ging eine Ära zu Ende. Heute macht man sich angesichts des schieren kulturellen Gewichts des Christentums in der europäischen Kultur kaum bewusst, dass sein Siegeszug nicht zwangsläufig gewesen ist. Mit dieser Vorstellung aufzuräumen, ist ein Ziel meines Buches.

Sie haben es in einer Zeit geschrieben, in der das Christentum in Europa immer mehr Mitglieder verliert.

Ein Großteil der europäischen Bevölkerung versagt dem Christentum mittlerweile die aktive Treue. Aber die meisten Menschen auf unserem Kontinent sind selbstverständlich kulturell vom Christentum geprägt. Auch wenn sie nicht in die Kirche gehen und ständig den Zustand ihrer Seelen hinterfragen.

Die frühen Christen sahen das Ende der Welt nahe. Heute kommt angesichts der Klimakrise und zahlreicher Konflikte auf dem Globus teils Endzeitstimmung auf.

Das vorkonstantinische Christentum glaubte tatsächlich, dass das Ende der Welt nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Was eine ziemlich apokalyptische Vorstellung war. Damit ist die Tatsache verbunden, dass diese frühen Christen oft nicht heirateten, es gab nicht einmal christliche Gebete für die Ehe. Denn die Ehe war etwas, was die Seele gefährden konnte, sie lenkte davon ab, sich auf den Himmel zu konzentrieren.

Eine letzte Frage: Wie gläubig sind Sie selbst?

Ich bin kein Atheist, ich halte mich eher für einen anglikanischen Agnostiker. Wahrscheinlich ist es auch einfacher, ein Buch über das Christentum zu schreiben, wenn man kein wahrer Gläubiger ist.

Professor Heather, vielen Dank für das Gespräch.

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