Die Eltern der Spanisch-Austauschgruppe aus Haltern beschäftigen solche Fragen inzwischen nur noch selten. Sie sind zu einer starken Gemeinschaft zusammengewachsen in diesen zehn Jahren seit dem Absturz. Wobei, von „Absturz“ spricht in Haltern niemand. Erst recht nicht von „Unglück“. In Haltern ist es „die Katastrophe“.
Noch immer treffen sich Eltern einmal im Monat, erzählen, erinnern sich, weinen manchmal auch noch gemeinsam. „Jetzt ist es schon das zehnte Jahr, und der Schmerz sitzt noch genauso tief. Man wacht damit auf, und man geht damit zu Bett“, erzählt Engelbert Tegethoff. Seine Tochter Stefanie war 33 und eine der beiden Lehrerinnen, die die Schülergruppe nach Spanien begleitet hat.
Ein paar Monate vor der Katastrophe hatte sie sich verlobt, plante die gemeinsame Zukunft mit ihrem Partner, wollte zu ihm ziehen, eine Familie gründen. Wie ihr Leben wohl heute aussähe? Und das der Schülerinnen und Schüler? „Das eigene Kind zu verlieren, das ist unvorstellbar“, sagt Tegethoff.
Der inzwischen pensionierte Schulleiter Wessel und seine Frau sind immer wieder bei den Treffen der Angehörigen in Haltern dabei. „Da hat sich eine Gruppe von Menschen in ihrem Leid gefunden, die sich gegenseitig guttun, die sich gegenseitig stützen konnten“, sagt er. Das sei auch heute, zehn Jahre nach der Katastrophe, noch wichtig. „Dieser Spruch, dass die Zeit alle Wunden heile, der verliert seine Berechtigung, wenn es um den Tod der eigenen Kinder geht.“
Auf dem städtischen Friedhof, wo ein symbolisches Klassenzimmer an die Spanischaustausch-Gruppe erinnert und einige der Schüler begraben liegen, wurde kurz vor dem Jahrestag ein neues Kunstwerk aufgestellt. 18 gläserne Blätter funkeln bunt im Licht, befestigt an einem Symbol der Unendlichkeit. Ein Elternpaar hat die Skulptur zum zehnten Jahrestag in Auftrag gegeben.
Am Joseph-König-Gymnasium ist große Pause. Die gut 1.000 Schüler toben auf dem Schulhof, albern herum, genießen die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen. Direkt an diesem Getümmel steht sehr zentral die Gedenktafel, die an die 18 Absturz-Opfer aus der Schule erinnert. „Ihre Namen sind aus dem Stahl herausgeschnitten“, erklärt Wessel. Ein Symbol dafür, dass auch die 16 Schülerinnen und Schüler und ihre zwei Lehrerinnen aus der Schulgemeinschaft herausgerissen wurden.