Ist mein Kollege wirklich so inkompetent, wie er tut? Hinter der scheinbaren Unfähigkeit verbirgt sich oft ein Verhaltensmuster. Was es damit auf sich hat.
Die Excel-Tabelle auf der Arbeit erstellen, zu Hause die Wäsche waschen oder die Urlaubsplanung für die Familie übernehmen – um nervige Aufgaben zu umgehen, stellen sich manche Menschen bewusst blöd an. Dann spricht man auch von strategischer Inkompetenz.
Der Begriff (im Englischen auch „weaponized incompetence“) kommt aus der Alltags- oder Populärpsychologie und tauchte erstmals in einem Artikel des „Wall Street Journal“ von 2007 auf. Der Autor des Textes beschrieb darin, wie Arbeitnehmer sich vor bestimmten Aufgaben drücken oder diese bewusst schlecht erledigen, damit sie nicht noch einmal darauf angesetzt werden.
Einfach erklärt, geht es bei strategischer Inkompetenz also darum, dass Menschen ihre vermeintliche Unfähigkeit als Ausrede nutzen. Es schließt allerdings auch ein, sich bewusst dagegen zu wehren, sich die nötigen Fähigkeiten anzueignen. Das Phänomen tritt sowohl im Arbeitsumfeld als auch in Partnerschaften auf und kann in beiden Fällen sehr frustrierend für das Gegenüber sein.
Klassische Beispiele für das Phänomen sind meist kleinere Aufgaben, die im Alltag oder auf der Arbeit anfallen. Das kann Kaffeekochen sein, eine Präsentation vorzubereiten oder eine Geburtstagskarte für die Kollegin zu schreiben. Wenn jemand versucht, vermeintliche Inkompetenz als Ausrede zu nutzen, erkennen Sie es oft daran, dass die Person häufig Sätze sagt wie „Ich kann das nicht so gut wie du!“ oder „Wenn du das machst, geht es viel schneller“.
Was im ersten Moment vielleicht wie ein nett gemeintes Kompliment oder Lob wirkt, soll eigentlich nur davon ablenken, dass der Kollege oder die Kollegin den Job nicht selbst erledigen will. Bevor Sie nun aber jedem Mitarbeitenden strategische Inkompetenz unterstellen, sollten Sie sich folgende Fragen stellen:
Man kann also nicht immer von strategischer Inkompetenz sprechen, wenn eine Person einen Fehler macht oder mal keine Lust auf eine Aufgabe hat. Entscheidend ist, ob die Person wiederholt ein solches Verhalten zeigt. Und auch dann sollten zunächst die Gründe für das Verhalten geklärt werden.
Auch in sozialen Medien tauchte das Phänomen in letzter Zeit vermehrt auf. Häufig geht es dabei jedoch nicht um den Berufsalltag, sondern um Care-Arbeit und Mental Load in Beziehungen. Thematisiert wird die mentale und physische Arbeit, die anfällt, wenn sich der Beziehungspartner vor Alltagsaufgaben drückt – oft mit der Begründung, dass Frauen sie ohnehin besser können.
Wenn der Partner in einer Beziehung ständig die Verantwortung für Haushalt und organisatorische Aufgaben abgibt, kann das zu Konflikten, Frustration und Überlastung führen. Deshalb ist es ratsam, das Problem anzugehen.