Union und SPD ringen in Berlin um einen Koalitionsvertrag. Ministerposten sollen eigentlich erst am Ende der Verhandlungen verteilt werden. Spekulationen gibt es trotzdem – besonders über den möglichen künftigen Außenminister.
In Berlin geht es dieser Tage ums Geld. Anhebung der Mütterrente, Erhöhung der Pendlerpauschale, Reduzierung der Umsatzsteuer in der Gastronomie. CDU, CSU und SPD haben im Wahlkampf viele Versprechungen gemacht und ihre Herzensprojekte Anfang März in das gemeinsame Sondierungspapier geschrieben. Bislang bleibt jedoch unklar, wie das alles finanziert werden soll – besonders mit Blick auf die schwächelnde deutsche Wirtschaft.
Diese Finanzierungsfragen werden auch großen Einfluss auf die Ressortverteilung in der künftigen Bundesregierung haben. Welche Partei übernimmt welche Ministerien? Wer wird Ministerin oder Minister? Das ist auch eine Geldfrage. Denn Ministerien wie etwa das Verteidigungsministerium oder das Auswärtige Amt sind angesichts der aktuellen geopolitischen Verwerfungen und der Bedrohung durch Russland von großer Bedeutung.
Traditionell liegen beide Ressorts nicht in den Händen von Union oder SPD – auch aufgrund ihres politischen Einflusses und ihrer öffentlichen Sichtbarkeit. Besonders im Ringen um das Auswärtige Amt bringen sich bereits interessierte Politiker in Stellung, machen Werbung in eigener Sache. Wer wird Nachfolger der noch amtierenden Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne)? Die Gerüchteküche brodelt.
Das Auswärtige Amt (AA) zählt traditionell in der Hierarchie der Bundesministerien zu den Ressorts mit hervorgehobener Machtstellung. Die Außenministerin oder der Außenminister sind nach dem Bundeskanzler die Repräsentationsfigur des Landes – und das ist gerade in diesen Krisenzeiten von besonders hoher Relevanz.
Im Kanzleramt werden zwar die außenpolitischen Leitlinien vorgegeben, aber es ist Aufgabe des Außenamts, diese Politik umzusetzen. Es steuert multilaterale Diplomatie (UN, EU, G7, Nato), Krisenmanagement (Geiseln, Kriege, Konflikte), außenpolitische Narrative in der Öffentlichkeit und die außenpolitische Agenda Deutschlands in Europa. Das ist angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Konflikte mit US-Präsident Donald Trump von großer Bedeutung.
Wissen ist Macht. Das AA verfügt über genaue internationale Lagebilder und kann auf zahlreiche Auslandsvertretungen zurückgreifen. Das macht Außenministerinnen und Außenminister öffentlich sichtbar – und für einige wurde das Ministerium zum Sprungbrett. Willy Brandt wurde Bundeskanzler, Frank-Walter Steinmeier ist Bundespräsident und Joschka Fischer war gleichzeitig Außenminister und Vizekanzler. Hans-Dietrich Genscher stieg nach seiner Zeit im Amt zwar nicht mehr politisch auf, erreichte aber in der Wendezeit Legendenstatus.
Wie groß der Einfluss des AA ist, hängt am Ende vom Regierungschef ab. Unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde ihm ein Bedeutungsverlust nachgesagt, weil Merkel verhältnismäßig viel ihrer Außenpolitik auch vom Kanzleramt umsetzen ließ. Trotzdem waren ihre Außenminister öffentlich sichtbar, meistens auch sehr beliebt. Selbst Heiko Maas, der im Amt politisch nur wenige Akzente setzte, gehörte während Merkels letzter Amtszeit bis zur Krise in Afghanistan zu den beliebtesten Politikern in Deutschland.
Bei den künftigen Koalitionären von Union und SPD gibt es Einigkeit darüber, dass Kanzleramt und Auswärtiges Amt gut und eng zusammenarbeiten sollen. Eine Außenpolitik aus einem Guss sei besonders in diesen herausfordernden Zeiten wichtig, heißt es hinter den Kulissen. Also soll der künftige Außenminister oder die künftige Außenministerin möglichst keine außenpolitischen Richtungskonflikte mit dem wahrscheinlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) haben, so wie es bei Baerbock und Kanzler Olaf Scholz im ersten Jahr ihrer Regierungszeit der Fall war.