Der Teilausschluss der Gästefans ist vor dem Derby zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 großes Thema. Fanforscher Gunter A. Pilz positioniert sich klar.
Der von Innenministerin Daniela Behrens (SPD) angeordnete Teilausschluss von Gästefans löst im Vorfeld des Niedersachsenderbys am Sonntag (13.30 Uhr) große Diskussionen aus. Statt der üblichen 2.100 Tickets für 96-Fans, durften nur 1.260 Karten verkauft werden. Wichtige Bestandteile der Fankultur wie Blockfahnen oder eine Choreografie sind verboten.
SPD-Politikerin Behrens hatte nach den Ausschreitungen und dem massiven Einsatz von Pyrotechnik bei beiden Duellen der vergangenen Saison zudem über Monate angedroht, künftig Niedersachsenderbys ohne Gästefans anzuordnen.
Sportsoziologe Gunter A. Pilz kann das Vorgehen der Politik nicht verstehen. „Die Vergangenheit zeigt: Ausschlüsse oder Teilausschlüsse werden nie das Problem lösen – im Gegenteil“, sagt er im Gespräch mit t-online.
Denn: Die durchgesetzten Maßnahmen sind laut Pilz zu kurz gedacht. „So bringt man die Fans auf Gedanken, wie sie vor und nach dem Spiel woanders ihre Duftmarken hinterlassen können“, erklärt der Fanforscher und spricht von einer „Kurzschlussentscheidung“ aus der Politik. „Man macht etwas, das Härte zeigt, ohne zu reflektieren, welchen Effekt es hat.“
Ein Risiko sehe Pilz vor allem darin, dass Gewaltprobleme rund um das Derby nun in andere und „weniger kontrollierbare“ Bereiche außerhalb des Stadions „abdriften“ könnten – dorthin, wo die Polizei zunächst nicht präsent ist.
Zudem hätten die von Innenministerin Behrens initiierten Maßnahmen dazu beigetragen, dass sich die Fanszenen der rivalisierenden Mannschaften solidarisieren. Am Donnerstag zogen Gruppen beider Teams im friedlichen Protest durch die jeweils andere Stadt. Die eigentlich verfeindeten Fanlager zielten mit ihrem Protest gemeinsam auf Behrens ab, der sie „politischen Populismus“ vorwerfen.
Dass sich die Fangruppierungen künftig friedlich begegnen werden, glaubt Pilz trotz der ungewohnten Solidarität vor dem Derby aber nicht. „Wenn man einen gemeinsamen Feind und ein gemeinsames Anliegen hat, kann man sich zusammentun. Wenn es dann in den Liga-Alltag geht, dann ist dieser Effekt weg“, erklärt der Sportsoziologe.
Beim Derby rechnet er daher nicht damit, dass alles friedlich bleibt. Dazu würden auch die „Androhungen“ aus der Politik ihren Teil beitragen. „Man kann Dinge nicht durch Brachialgewalt oder noch mehr Polizei in den Griff kriegen. Der Polizeiknüppel oder noch mehr Einsatzkräfte haben noch nie das Problem gelöst, sondern eher verschärft“, so Pilz.
Sein Lösungsansatz: Kommunikation und Transparenz. Man müsse mit den Fans ins Gespräch kommen, betont Pilz. In Zukunft könne es nur heißen, nicht noch mehr Verbote zu erlassen, sondern gemeinsam daran zu arbeiten, Regelungen einzuführen und diese konsequent durchzusetzen.
Andernfalls sieht Pilz auch für die Zukunft wenig Chance auf Besserung. „Politik und Polizei müssen ihre Strategie hinterfragen. Wenn sie nur auf Repression setzen, wird das Ganze eskalieren.“ Ganz gewaltfrei werde Fußball zwar nie sein, „aber Eskalation kann man vermeiden – und nur darum kann es gehen“, so Pilz.