Sondierungen
Was die Einigung von Union und SPD bedeutet
Aktualisiert am 04.03.2025 – 19:48 UhrLesedauer: 4 Min.
Union und SPD haben bei Sondierungen eine Einigung über Finanzfragen erzielt. Es geht um viel Geld. Was das bedeutet.
Es sind gigantische Summen – und eine Überraschung: Union und SPD wollen nicht nur ein Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur schaffen, sondern für Verteidigungsausgaben auch an die Schuldenbremse ran. Das hatte die Union zuletzt noch ausgeschlossen. Für einen Beschluss im Bundestag sind aber Stimmen von Grünen oder FDP nötig.
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll so angepasst werden, dass Verteidigungsausgaben ausgenommen sind, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Nach oben soll das nicht gedeckelt werden, ermöglicht also theoretisch unbegrenzte Kredite.
Um das finanziell zu stemmen, soll die Wirtschaft angekurbelt werden – und zwar über Investitionen in die Infrastruktur, also Straßen, Schiene, Brücken und anderes. Dafür sollen Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro aufgenommen werden, die in ein Sondervermögen fließen. Zum Vergleich: Das ist etwas mehr als das Volumen eines Bundeshaushalts und mehr als ein Zehntel des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Das Geld soll schnell zur Verfügung stehen und über zehn Jahre abfließen. Damit das an der Schuldenbremse vorbeilaufen kann, soll das Sondervermögen im Grundgesetz verankert und dort von der Schuldenregel ausgenommen werden.
Außerdem sollen auch die Länder die Möglichkeit bekommen, mehr Schulden zu machen. Ihre Schuldenbremse, die bisher besonders streng ist, soll an die etwas flexiblere Bundesregelung angepasst werden.
Union und SPD können das nicht allein beschließen, denn für Grundgesetzänderungen wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Im alten Bundestag ginge das zusammen mit Grünen oder FDP. Die FDP hat eine Reform der Schuldenbremse bisher aber kategorisch abgelehnt. Die Sondierer dürften daher auf die Grünen setzen.
Im neuen Bundestag, der sich am 24. oder 25. März konstituiert, haben Union, SPD und Grüne keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr. Linke und AfD können eine Grundgesetzänderung blockieren – und sie lehnen Sondervermögen beide ab. Deshalb soll der alte Bundestag auf den letzten Metern nochmal zusammenkommen.
Das Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist fast komplett verplant. Bereits klar ist, dass der Weg zur Wehrhaftigkeit noch weit ist. Schon im März 2023 sagte die Wehrbeauftragte Eva Högl: „Die 100 Milliarden Euro allein werden nicht ausreichen, sämtliche Fehlbestände auszugleichen, dafür bedürfte es nach Einschätzung militärischer Expertinnen und Experten einer Summe von insgesamt 300 Milliarden Euro.“
Zur Größenordnung: Der reguläre Verteidigungsetat besteht aus etwa 53 Milliarden Euro und erfüllt das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nur, weil das bisherige Sondervermögen eingerechnet wird. Allein für das Zwei-Prozent-Ziel sind nach den Worten von Verteidigungsminister Boris Pistorius ab 2028 insgesamt 85 bis 90 Milliarden Euro im Jahr nötig, für Verteidigungsausgaben in Höhe von drei Prozent sind es also 120 Milliarden Euro. Mit dem Weg über eine Ausnahme von der Schuldenbremse wird nun ein Weg beschritten, den Pistorius wiederholt öffentlich gefordert hat.
Eine kriegstüchtige Bundeswehr, die Angreifer abschreckt und in einem Kampf bestehen kann, benötigt eine Vollausstattung über 100 Prozent hinaus („Ersatz“), eine umfangreiche Luftverteidigung und Cyberabwehr und eine verbesserte, eigenständige Beobachtung möglicher Gegner („Aufklärung“). Zudem weitreichende Präzisionswaffen („deep precision strike“), Vorräte an Munition, eine Art Drohnenarmee sowie einen funktionierenden Heimatschutz über die bislang geplante neue Division hinaus. Das Personal dafür soll sich auch aus einem neuen Wehrdienst speisen, wobei Kasernen und Unterkünfte derzeit der Engpass sind. Das bisherige Sondervermögen hat eine eng gefasste Zweckbestimmung und beschränkt Investitionen in Infrastruktur. Noch völlig ungeklärt: Deutschland könnte sich im Falle einer Einigung am nuklearen Abschreckungspotenzial Frankreichs und Großbritanniens beteiligen.
Marode Brücken und Schienen, Baustellen auf Straßen: Bei der Verkehrsinfrastruktur gibt es einen riesigen Investitionsstau. „Der Güter- und Personenverkehr wird durch die überalterte Infrastruktur mittlerweile deutlich eingeschränkt, was die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands beeinträchtigt“, heißt es im Jahresgutachten der „Wirtschaftsweisen“. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat errechnet, dass innerhalb von zehn Jahren zusätzliche Mittel von rund 160 Milliarden Euro notwendig sind für das Schienennetz, für Autobahnen und Bundesstraßen, die Brückenerneuerung, Bundeswasserstraßen, für Häfen und den Ausbau des ÖPNV. Der BDI sieht außerdem einen Bedarf von zusätzlichen 100 Milliarden Euro für die Bildungsinfrastruktur, also für Kitas, Schulen und Hochschulen sowie von 56 Milliarden Euro für Gebäude und Wohnen.