Ein breit gestreutes Depot mit ETFs ist ein bisschen langweilig. Es geht spannender, aber bitte nur mit „Spielgeld“. Warum sich das jetzt lohnen könnte.
Wenn Sie diese Kolumne regelmäßig lesen, dann wissen Sie: Ich plädiere für eine sehr langfristige Aktienanlage mit breiter Risikostreuung. Ein breit gestreutes Depot mit ETFs und Fonds ist nur leider auch ein bisschen langweilig. Normalerweise zumindest, aber normal ist ja gerade gar nichts.
Grundsätzlich gilt: ETFs auf marktbreite Indizes sind eher etwas für schwache Nerven. Spannender sind Einzelaktien, Themen-ETFs oder auch Kryptos, nur leider auch viel risikoreicher. Wenn Sie trotzdem etwas mehr wagen wollen, eröffnen Sie doch ein Spielgeld-Depot, so wie ich. Gerade jetzt kann sich das richtig lohnen und sogar richtig Spaß machen, wenn Sie mitten in den Turbulenzen an der Börse auf Schnäppchenjagd gehen.
„Spielgeld“ nenne ich es nicht, weil Sie wild zocken sollen, sondern eher wegen der Höhe der Summe, die Sie dort investieren dürfen. Die sollte nämlich eher gering sein, auf jeden Fall deutlich geringer als die Summe, die Sie für Ihren langfristigen Vermögensaufbau investieren. Wenn Sie bewusst ein größeres Risiko eingehen, dann sollten Sie das nur mit einem kleinen Teil Ihres Vermögens tun. Denn es steht einiges auf dem sprichwörtlichen Spiel. Daher der Begriff „Spielgeld“. Vielleicht entfallen 90 Prozent Ihrer Anlagesumme auf das langfristige Depot und mit den restlichen zehn Prozent „spielen“ Sie. Der Anteil könnte aber ein bisschen kleiner oder etwas größer sein.
Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Mitte März 2024 ist ihr siebtes Buch „Erfolgreich investieren mit den besten Börsenstrategien“ im Börsenbuchverlag erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.
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Am Ende ist es eine Frage Ihrer Risikopräferenz. Wie viel Geld wollen Sie riskieren? Wie hoch dürfen die Verluste sein? Oder anders formuliert: Wie gierig wollen Sie sein? Denn ein wenig Gier ist erlaubt im Spielgeld-Depot. Aber was landet in diesem Depot? Grob gesagt: Alles, was mit Ihrer langfristigen Strategie nichts zu tun hat und sie irgendwie verwässern würde. Im Spielgeld-Depot ist sogar ein wildes Sammelsurium erlaubt, ganz ohne Strategie.
Gerade nach dem jüngsten Kurssturz gibt es einige Unternehmen so günstig wie seit Jahren nicht. Vielleicht haben Sie sogar eine bestimmte Aktie schon länger beobachtet? Leider weiß niemand, wie sich die Börse in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird. Die Unsicherheit ist groß, die Risiken sind es auch. Aber genau in solchen Phasen gibt es auch viele Chancen, und ein Spielgeld-Depot ist eine feine Sache.
Hier können Sie sich ein bisschen austoben, etwas wagen, stärker ins Risiko gehen. Ein bisschen Nervenkitzel gehört an der Börse einfach dazu, oder? Und wenn ich ehrlich bin: Einzelaktien machen einfach mehr „Spaß“ als breit streuende und damit vergleichsweise langweilige ETFs oder Fonds. Risiko bedeutet eben auch mehr Spannung, hohen Nervenkitzel und verlockende Chancen. Es macht Spaß, sich mit einzelnen Unternehmen, ihren Geschäftsmodellen und ihren Aktien zu beschäftigen. Wenn man dann auch noch richtig liegt, herrlich!
Je höher das Risiko, desto größer auch die Chance. Weil das leider auch andersherum gilt, sollten wir in riskantere Titel immer nur überschaubare Summen investieren. Sie sollten immer nur so viel Geld „im Spiel“ haben, wie Sie auch wirklich riskieren können und wollen. Denn Sie könnten hohe Verluste erleiden, je nachdem, welche Investments Sie eingehen, sogar bis zum Totalverlust. Das sollten Sie immer bedenken.
Zugegeben: Spielgeld – das klingt ein wenig nach Casino. Es klingt nach waghalsigen Spekulationen und heißen Wetten. Aber keine Angst, jetzt folgt kein Plädoyer für wildes Zocken. Das könnten Sie mit Ihrem Spielgeld-Depot natürlich tun, wenn Sie denn wollen. Aber Sie können auch einfach „andere“ Anlageklassen, andere Bausteine wählen, als Sie das in Ihrem Depot für die langfristige Geldanlage tun. Es sind Investments, die eben nicht zu Ihrer langfristigen Strategie „passen“. Deswegen werden Sie aber nicht gleich zum Zocker oder zur Spielerin.
Aber warum überhaupt ein zweites Depot? Warum nicht einfach alles in ein Depot legen? Es geht vor allem um die Übersichtlichkeit, es geht darum, die langfristige Strategie nicht mit den spekulativeren Investments zu vermischen. Es ergibt Sinn, beides zu trennen. So sehen Sie auf einen Blick, wie „groß“ das Spielgeld-Depot wirklich ist. Sie sehen, wie es sich entwickelt hat.