Die Rallye an der Börse geht weiter, neue Rekorde inklusive. Warum die Aktienmärkte gegen hohe politische Unsicherheiten offenbar immun sind.
Ein bisschen verrückt ist es schon: Die Weltwirtschaft schwächelt, die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump nährt die Angst vor einer Rezession, der Nahostkonflikt hat sich jüngst weiter zugespitzt und auch der Ukraine-Krieg geht immer weiter. Doch die wichtigsten Börsen der Welt markieren neue Rekorde.
Der S&P 500, der den breiten amerikanischen Aktienmarkt abbildet, hat vor einigen Tagen ein neues Allzeithoch gefeiert. Kurz darauf war es an der US-Technologiebörse Nasdaq so weit. In Deutschland hat der Dax seit Jahresbeginn ein Allzeithoch nach dem anderen aufs Parkett gelegt. Und das, obwohl hierzulande das dritte Rezessionsjahr in Folge droht.
Verkehrte Welt? Nur auf den ersten Blick. Die 40 Dax-Konzerne machen mehr als 80 Prozent ihrer Umsätze im Ausland. Solange die Weltwirtschaft läuft, müssen sie sich um ihre Bilanz wenig Sorgen machen, auch wenn das Wachstum durch Trumps Zollpolitik wohl schwächer ausfallen wird. Der Dax ist eben ein sehr internationaler Index.
Die deutsche Wirtschaft repräsentieren viel mehr MDax und SDax. Und da lief es in den vergangenen beiden Jahren nicht gut. Mittlerweile holen die Aktien aus der zweiten und dritten Börsenliga aber auf – auch und vor allem in der Hoffnung auf die Milliardeninvestitionen der neuen Bundesregierung. Aber zurück zum Dax, der dieses Jahr wirklich sensationell läuft, sogar besser als der S&P 500.
Und das ist eine Besonderheit, denn normalerweise läuft es an den US-Börsen besser. Die Wall Street ist die Leitbörse der Welt und gibt den Ton an. Normalerweise. Dieses Jahr ist es anders, trotz aller Rekorde. Der S&P 500 hat seit Jahresbeginn knapp sechs Prozent zugelegt, der Dax aber schon fast 20 Prozent.

Jessica Schwarzer ist Finanzjournalistin, Bestsellerautorin und langjährige Beobachterin des weltweiten Börsengeschehens. Die deutsche Aktienkultur ist ihr eine Herzensangelegenheit. Mitte März 2024 ist ihr siebtes Buch „Erfolgreich investieren mit den besten Börsenstrategien“ im Börsenbuchverlag erschienen. Bei t-online schreibt sie über Investments und Finanztrends, die eine breit gestreute Basis-Geldanlage ergänzen. Sie erreichen sie auf LinkedIn, Twitter, Facebook und Instagram.
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Auch die Aktienmärkte anderer europäischen Länder liefen besser als die Wall Street. Auslöser für die Trendwende an den Märkten ist – Sie ahnen es sicher bereits – die Zollpolitik von US-Präsident Trump und die damit verbundene Sorge vor einer Abschwächung der amerikanischen Wirtschaft. In der Folge haben viele Investoren Geld aus dem Dollar-Raum abgezogen.
Die Stimmung war gar nicht so schlecht, im Gegenteil. Anscheinend hat man sich an die chaotische Politik Trumps gewöhnt und hofft auf „Deals“ im Zollstreit. Und überhaupt heißt es an der New York Stock Exchange ja immer „Der Wall Street ist es egal, wer unter(!) ihr regiert“. Soll heißen: Die Wirtschaft wird sich entsprechend darauf einstellen und hat schon so manches überstanden – schwere Wirtschaftskrisen und Kriege inklusive.
Für einen neuen Rekord an der Wall Street hat es aber trotzdem gereicht. Ich hätte übrigens fast mitfeiern können, denn ich war vergangene Woche in New York und auch auf dem legendären Parkett der Wall Street. Das ist immer wieder ziemlich aufregend.
Aber zurück zum aktuellen Rekordrausch an der New Yorker Börse. Schaut man etwas genauer hin, dann fällt auf: Nur wenige Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung treiben die Rallye an; in den vergangenen drei Monaten übertrafen auch nur 34 Prozent der Mitglieder im S&P 500 den Index. Die fehlende Marktbreite ist kein neues Phänomen und verfolgt den US-Aktienmarkt seit Jahren.

Als Euro-Anleger haben wir übrigens wenig von der jüngsten Entwicklung. Weil der US-Dollar gegenüber dem Euro kräftig abgewertet hat, bleibt von den Gewinnen der US-Aktien in Euro wenig übrig. Nicht nur deshalb waren Aktien aus dem Euro-Raum zuletzt die bessere Wahl. Aber das sind Momentaufnahmen.
Und die Gewinnentwicklung dies- und jenseits des Atlantiks rechtfertigt die aktuelle Skepsis gegenüber amerikanischen Aktien auch nicht. Die 500 nach Umsatz größten börsennotierten Unternehmen in den USA haben im abgelaufenen Geschäftsjahr so hohe Gewinne eingefahren wie noch nie, nämlich stolze 1,3 Billionen Euro. Das war ein Plus von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.