Mehr als ein Zeichen von Müdigkeit
Gähnen ist ansteckend – aber warum eigentlich?
30.11.2025 – 07:51 UhrLesedauer: 3 Min.

Jeder kennt es, niemand kann es unterdrücken: Gähnen ist ansteckend. Doch was steckt hinter diesem Reflex?
Ein tiefer Atemzug und ein weit geöffneter Mund: Das Gähnen gehört zu den merkwürdigsten und gleichzeitig normalsten Verhaltensweisen des Menschen. Lange galt es als eindeutiges Zeichen für Müdigkeit. Doch neuere Forschung zeigt: Gähnen hat weit mehr Funktionen als bloßes Schlafbedürfnis.
Ein Gähnen beginnt mit einem tiefen Einatmen, der Mund öffnet sich weit, die Lungen füllen sich mit Luft, gefolgt von einem langsamen Ausatmen. Dabei dehnt sich das Trommelfell, manchmal schließen sich auch die Augen und tränen. Was simpel klingt, ist ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Prozesse und vermutlich viel mehr als nur ein Ausdruck von Langeweile oder Erschöpfung.
1. Gähnen kühlt das Gehirn
Eine der bekanntesten Theorien: Gähnen dient dazu, das Gehirn zu kühlen. Die frische Luft, die beim tiefen Einatmen durch Mund und Nase strömt, könnte helfen, eine Überhitzung des Gehirns zu vermeiden. Denn: Das Gehirn arbeitet bei optimaler Temperatur am besten. Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigte, dass Tiere mit größeren Gehirnen länger gähnen – offenbar, um mehr Kühlung zu erreichen.
Auch bei Menschen scheint das plausibel: In Experimenten gähnten Probanden häufiger, wenn ihre Gehirntemperatur anstieg, etwa bei körperlicher oder geistiger Anstrengung. Die kühlende Wirkung des Gähnens soll uns also dabei helfen, „frisch im Kopf“ zu bleiben.
2. Gähnen als Alarmzustand
Obwohl wir Gähnen oft mit Müdigkeit verbinden, zeigt sich im Körper ein gegenteiliger Effekt: Der Puls steigt während eines Gähnens deutlich an. Forscher vermuten daher, dass es sich um eine Art „Reset-Knopf“ des Körpers handelt – eine Umstellung von einem Aktivitätszustand in einen anderen.
So gähnen wir zum Beispiel vor dem Einschlafen, beim Aufwachen oder in monotonen Situationen. Gähnen könnte also ein Signal an Körper und Gehirn sein, jetzt umzuschalten.
3. Gähnen fördert die Atmung
Gähnen sorgt für eine besonders tiefe Atmung. Dabei gelangt sehr viel Sauerstoff in die Lungen und verbrauchtes Kohlendioxid wird abgeatmet. Diese Theorie klingt schlüssig, ist aber umstritten. Denn nicht alle Studien konnten einen direkten Zusammenhang zwischen Sauerstoffmangel und Gähnfrequenz nachweisen. Dennoch bleibt die zusätzliche Sauerstoffaufnahme ein positiver Nebeneffekt.
- Studie: Wie Sie schlafen, kann das Alter Ihres Gehirns bestimmen
4. Gähnen als soziales Signal
Vor der Sprache könnte das Gähnen eine Form nonverbaler Kommunikation gewesen sein, so vermuten es Evolutionsbiologen. Vielleicht diente es als Zeichen für Müdigkeit, zur Warnung oder um Aufmerksamkeit auszudrücken. Auch das Zähnezeigen beim Gähnen könnte eine uralte Form der Selbstdarstellung oder des Imponierverhaltens gewesen sein.
Kaum etwas ist so ansteckend wie ein Gähnen: Wer andere gähnen sieht, muss fast automatisch selbst gähnen. Eine weitverbreitete Erklärung: Empathie. Spiegelneurone im Gehirn lassen uns das Verhalten anderer imitieren. Wir lachen, wenn andere lachen, wir werden traurig, wenn andere weinen. Und wir gähnen, wenn andere gähnen.
Interessanterweise gähnen Menschen besonders häufig in Gegenwart vertrauter Personen. Auch bei bestimmten Affenarten wurde festgestellt, dass das „Mitgähnen“ stärker ausfällt, wenn es sich um enge Gruppenmitglieder handelt.
Nicht nur Menschen, auch nahezu alle Wirbeltiere gähnen: von Vögeln über Fische bis zu Pferden. Bei manchen Tierarten dient es ebenfalls der Kommunikation oder Koordination innerhalb der Gruppe. Bei Hunden ist bekannt, dass sie auf menschliches Gähnen reagieren und manchmal selbst „zurückgähnen“. Auch hier könnte soziale Bindung eine Rolle spielen.











