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Gesundheit

Warum alle zuschauen, aber keiner hilft

Von zeit-heute.deNovember 25, 20253 Min Gelesen
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Warum alle zuschauen, aber keiner hilft

Bystander-Effekt

Warum alle zuschauen, aber keiner hilft


25.11.2025 – 13:24 UhrLesedauer: 3 Min.

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Vorbeigehende Menschen in einem Tunnel: In Notsituationen fällt es vielen Menschen schwer, helfend einzugreifen. (Quelle: Bertlmann/getty-images-bilder)

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Immer wieder gibt es Notfälle, in denen Augenzeugen helfen könnten – es aber nicht tun. Warum das so ist und was sich dagegen unternehmen lässt.

Essen, Oktober 2016: Ein Rentner liegt regungslos im Vorraum einer Bankfiliale. Vier Kunden lassen ihn liegen, erst der fünfte ruft Hilfe. Der Rentner stirbt.

Menschen, die eigentlich helfen könnten, bleiben im Ernstfall nicht selten passiv. Doch warum ist das so? Warum gibt es viele Schaulustige, aber häufig keine Helfer?

Diese Frage beschäftigte die Forscher Bibb Latané und John Darley schon vor über 50 Jahren, nachdem sie von einem Mordfall gehört hatten: Im Jahr 1964 wurde Catherine „Kitty“ Genovese vor ihrer New Yorker Wohnung niedergestochen. Einem Bericht der New York Times zufolge hatten mindestens 38 Personen das Verbrechen über eine halbe Stunde lang mit angesehen.

Neuere Erkenntnisse weisen zwar darauf hin, dass der Bericht übertrieben war (zum Beispiel hatten weitaus weniger Personen die Tat gesehen als angegeben). Fest steht jedoch, dass es immer wieder passiert: Menschen, die helfen könnten, bleiben passiv.

Latané und Darley nahmen an, dass die Zahl der Umstehenden – im Englischen ist von sogenannten Bystandern die Rede – darüber entscheidet, ob eine Person Hilfe bekommt.

Um ihre These zu belegen, führten die Forscher ein Experiment mit Studierenden durch. Über eine Sprechanlage konnten die Versuchspersonen mit anderen Studierenden in angrenzenden Zimmern sprechen – so war es ihnen jedenfalls gesagt worden. In Wahrheit war das, was die Teilnehmenden zu hören bekamen, nur vorgetäuscht: Es handelte sich um eine Aufnahme, in der ein Mitstudent vorgab, einen epileptischen Anfall zu bekommen.

Das Ergebnis: Je größer die vermeintliche Gruppe der beteiligten Mitstudierenden, desto mehr Zeit verging, bis eine Person beim Versuchsleiter Alarm schlug. Zudem stieg der Anteil derer, die gar nichts unternahmen, in einer größeren Gruppe an.

Dieses Phänomen heißt Bystander-Effekt: Je mehr Personen in einer Notsituation anwesend sind, desto niedriger ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand hilft.

Latané und Darley nahmen an, dass fünf Stufen durchlaufen werden müssen, bis eine Person im Notfall eingreift: Sie muss

  1. die Situation wahrnehmen,
  2. sie als Notfall einschätzen,
  3. sich verantwortlich fühlen, einzugreifen,
  4. wissen, wie sie helfen kann, und die Fähigkeiten dazu besitzen, und
  5. die bewusste Entscheidung treffen, zu helfen.

Das Erreichen der jeweils nächsten Stufe kann durch verschiedene Einflüsse gestört werden. Einer davon ist die Anzahl der anwesenden Personen, also der Bystander.

Wie lässt sich der Bystander-Effekt erklären?

Vermutlich sind verschiedene psychologische Prozesse für den Bystander-Effekt verantwortlich.

Ist eine Person unsicher, ob es sich wirklich um einen Notfall handelt – etwa, wenn jemand reglos am Boden liegt –, orientiert sie sich am Verhalten der anderen. Beachten diese die Situation nicht, schließt die Person daraus möglicherweise, dass kein Notfall vorliegt. Dieses Phänomen bezeichnen Fachleute auch als pluralistische Ignoranz.

Hinzu kommt, dass mehrere Bystander sich in einer Notsituation die Verantwortung sozusagen teilen: Jeder glaubt dann, dass einer der anderen Umstehenden eingreifen wird oder sollte. Der Fachbegriff dafür lautet Verantwortungsdiffusion.

Nicht zuletzt spielt auch Angst eine Rolle – Angst, etwas falsch zu machen, sich zu blamieren oder von anderen Umstehenden negativ beurteilt zu werden. Diese Bewertungsangst kann noch verstärkt werden, wenn die Person nicht genau weiß, wie sie helfen könnte.

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