
Es ist eine bemerkenswerte Wende – und ein Kontrast zur europafeindlichen Stimmungsmache der Trump-Regierung. US-Experte Sirakov sieht bei Trump gar einen „Lerneffekt“ im Vergleich zur ersten Amtszeit. Das Argument des Politikwissenschaftlers: Trotz „America First“-Rhetorik habe Trump verteidigungspolitisch bislang nur wenige Kurskorrekturen vollzogen. Die schrillen Parolen seien vor allem innenpolitisch motiviert. In der Praxis agiere der Trump-Apparat eher realpolitisch und vor allem transaktional.
Auch die Annahme vieler Kritiker, unter Trump würden sich die USA von der Welt abnabeln und sich isolationistisch einmauern, sei falsch, so Sirakov. „Trumps Außen- und Sicherheitspolitik der letzten elf Monate ist das Gegenteil von Isolationismus. Die USA sehen sich vielmehr als transaktional agierende globale Macht.“ Ob Militärschläge gegen iranische Atomanlagen, Unterstützung für Israel im Gaza-Krieg oder die amerikanische Kriegsflotte vor Venezuela: „Wenn es ihren Interessen nützt, greifen die USA weiter in globale Krisenherde ein.“
„America First“, aber mit globalem Anspruch? Manche Beobachter sehen darin auch eine Chance für Europa. Der Nato-Experte und frühere Berater im US-Außenministerium, Michael J. Williams, findet, die Europäer machten sich manchmal kleiner, als sie sind. Denn strategische Abhängigkeit gebe es in beide Richtungen: „So abhängig die europäischen Nato-Staaten von bestimmten US-Fähigkeiten sind – vor allem bei Geheimdiensten, Aufklärung und Atomwaffen –, so sehr brauchen auch die USA das alte Europa.“
Das gilt etwa für die vielen US-Stützpunkte in Europa. Denn die dort stationierten Kampfjet-Geschwader, Heeresbrigaden, Kommandozentren und Munitionsdepots dienen nicht nur dazu, Abschreckung vor Russland zu organisieren und amerikanischen Einfluss in Europa zu sichern. Viele Militärbasen sind zugleich Knotenpunkte für US-Operationen in Afrika und im Nahen Osten.
Vor allem im Nahen und Mittleren Osten sieht die Trump-Regierung weiterhin ihre „Kerninteressen“ berührt, wie es in der neuen Sicherheitsstrategie heißt (allerdings anders als noch unter Biden oder Obama): Sei es, um den Iran in Schach zu halten, Israel und die arabischen Verbündeten zu unterstützen oder um US-feindliche Bestrebungen in der Region zu bekämpfen. „Um ihren Machtanspruch in den europäischen Nachbarregionen zu untermauern, sind die USA auf ihre militärische Infrastruktur in Europa angewiesen“, sagt Williams.
Das gilt vor allem für US-Basen in Deutschland. Die vielleicht wichtigste: der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein (Rheinland-Pfalz), das Hauptquartier der US-Luftwaffe in Europa und Afrika sowie Sitz des Aircom, einer Nato-Kommandobehörde für Luftstreitkräfte. Das US-Militär nutzt Ramstein als Drehkreuz für Truppentransporte, weltweite Drohneneinsätze, wie im Irak, in Pakistan und im Jemen, und für Evakuierungsflüge, etwa aus Afghanistan 2021. In der Nähe des Stützpunktes, in Weilerbach, soll bis 2029 das größte US-Militärkrankenhaus außerhalb der USA entstehen. Insgesamt sind in Ramstein rund 16.000 US-Soldaten stationiert.










