1,5-Grad-Ziel wird erstmals gerissen
Höchste Alarmstufe: Extreme Unwetter angekündigt
11.11.2024 – 16:43 UhrLesedauer: 3 Min.
Die Weltwetterorganisation WMO ruft die höchste Alarmstufe aus: Erwartet werden neue Extrem-Regenfälle, Überschwemmungen und Wirbelstürme.
Mehr als 200 Tote in Spanien, Jahrhundertflut in Österreich, Polen und Tschechien, mehrere Hurrikan-Ungetüme in den USA und heftige Unwetter auch in Deutschland: So schlimm es für Millionen von Menschen weltweit war, die Katastrophen des Jahren 2024 waren wohl nur eine Aussicht auf das, was noch kommt. Auch in Zukunft werden Überschwemmungen und Monster-Stürme zu Not und Elend führen und wirtschaftliche Schäden in astronomischer Höhe verursachen.
So lautet die düstere Prognose der World Meteorological Organization (WMO). Die Weltwetterorganisation der Vereinten Nationen hat auf der Weltklimakonferenz in Baku in Aserbaidschan ein Update zum Zustand des Weltklimas 2024 vorgestellt. Das rasante Tempo der globalen Erwärmung, die innerhalb von nur einer Generation die Wetterverhältnisse auf den Kopf stelle, bedeute Alarmstufe Rot, hielt die Organisation fest.
Diese höchste Alarmstufe hatte die WMO bereits im Bericht für das vergangene Jahr verkündet. 2024 ist nun auf dem Weg, noch einmal deutlich heißer zu werden. Es sieht danach aus, als werde es das erste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, das die wichtige 1,5-Grad-Marke reißt. Die globale Durchschnittstemperatur habe von Januar bis September bei der Rekordmarke von 1,54 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850 bis 1900) gelegen, berichtet die WMO.
WMO-Generalsekretärin Celeste Saulo sagte angesichts der aktuellen Daten: „Die rekordverdächtigen Regenfälle und Überschwemmungen, die Wirbelstürme, die plötzlich rapide gefährlicher werden, die tödliche Hitze, die unerbittliche Dürre und die schlimmen Waldbrände, die wir in diesem Jahr in verschiedenen Teilen der Welt erlebt haben, sind leider ein Vorgeschmack auf unsere Zukunft.“ UN-Generalsekretär António Guterres warnte: „Die Klimakatastrophe schadet der Gesundheit, vergrößert die Ungleichheit, schadet der nachhaltigen Entwicklung und erschüttert die Grundlagen des Friedens. Die Schwächsten sind am härtesten betroffen.“
Besonders problematisch ist, dass auch der Ausstoß von Treibhausgasen weiter zunimmt. Die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid sei von rund 278 Teilen von einer Million (ppm) im Jahr 1750 auf 420 ppm im Jahr 2023 gestiegen, so die WMO. Echtzeitdaten würden zeigen, dass die Treibhausgase in der Luft auch 2024 weiter angestiegen seien. Es müsse daher damit gerechnet werden, dass der Klimawandel sich weiter beschleunige.
Das weltweite Ziel, die Erwärmung langfristig unter 1,5 Grad zu halten, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern, sei mit einem Jahr über 1,5 Grad allerdings noch nicht verfehlt. Dafür gibt es laut WMO zu viele kurzfristige oder periodische Einflüsse auf das Klima, deren Effekte in den kommenden Jahren Schwankungen unterworfen sein werden.
Zum Beispiel war das alle paar Jahre spürbare Phänomen El Niño zuletzt von Juni 2023 bis Mai 2024 aufgetreten, hatte in der Pazifik-Region für Milliarden-Schäden gesorgt und die Preise von Reis, Palmöl, Zuckerrohr, Sojabohnen und Mais in die Höhe getrieben. Wegen dieser Schwankungen gilt die 1,5-Grad-Marke erst als verfehlt, wenn die Temperaturen über einen längeren Zeitraum hinweg höher liegen.
Die 29. UN-Klimakonferenz wird vom Wahlsieg Donald Trumps in den USA überschattet. Es wird erwartet, dass die USA unter ihm erneut aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen. Außerdem will der Republikaner die Förderung von klimaschädlichem Erdöl und Erdgas im eigenen Land massiv ausweiten. „Keine Klimakonferenz ist unter schlechteren Vorzeichen gestartet“, erklärte Martin Kaiser von Greenpeace Deutschland dazu.
Der bevorstehende Machtwechsel in Washington schränkt nicht nur den Handlungsspielraum der US-Delegation in Baku ein. Er führte in den vorausgegangenen Verhandlungen auch dazu, dass viele Länder eine abwartende Haltung einnahmen.
„Die Klimakrise interessiert sich nicht für Wahlen und stoppt auch nicht, wenn manche sie einfach wegreden wollen“, mahnte die deutsche Klima-Beauftragte Jennifer Morgan in Baku. Auch die Vereinigten Staaten hätten ein „Interesse an nachhaltigem Wachstum“ mit neuen Jobs, die Energiewende sei „nicht mehr aufzuhalten“, sagte Morgan.
Zentrale Aufgabe der Delegationen aus fast 200 Ländern in Baku ist es, einen neuen Rahmen für die internationale Klimafinanzierung für die Zeit nach 2025 festzulegen. Bislang gilt für die Förderung von Klimaschutz und Klimaanpassung eine Zusage der reichen Industrieländer von mindestens 100 Milliarden Dollar (93,29 Milliarden Euro) pro Jahr. Das Geld, vielfach rückzahlbare Kredite sowie privatwirtschaftliche Investitionen, fließt etwa in den Ausbau erneuerbarer Energien oder den Bau von Schutzdeichen.
Nach Expertenschätzungen wären künftig mindestens eine Billion Dollar pro Jahr notwendig, um Länder des globalen Südens beim Klimaschutz und der Anpassung an die Folgen der Erderwärmung zu unterstützen. Einige Berechnungen kommen sogar auf 2,4 Billionen Dollar.