„Normale Ressortabstimmung“
Zwei Unionsministerien verhindern Bürgergeldreform
Aktualisiert am 10.12.2025 – 18:16 UhrLesedauer: 2 Min.
Die geplante Reform der Grundsicherung wird nicht wie geplant auf der Kabinettssitzung beschlossen. Im Zentrum steht der Streit über Leistungskürzungen.
Die Bundesregierung hat die Reform der Grundsicherung am Mittwoch nicht wie geplant beschlossen. Nach Informationen des „Handelsblatts“ aus Regierungskreisen haben das Wirtschaftsministerium von Katherina Reiche (CDU) und das Innenministerium von Alexander Dobrindt (CSU) einen sogenannten Leitungsvorbehalt eingelegt. Wegen dieser Vetos wurde der Entwurf kurzfristig von der Kabinettsagenda genommen.
Im Zentrum des Streits steht eine Passage zur vollständigen Leistungskürzung für Menschen, die zu Terminen nicht erscheinen. Die Koalition hatte zuvor vereinbart, dass nach drei Versäumnissen die Leistungen gestrichen werden können. Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will die Streichung jedoch nur nach einer persönlichen Anhörung ermöglichen. Nach Darstellung aus Unionskreisen könnte dies Betroffenen erlauben, Sanktionen zu umgehen.
Bei der SPD herrscht Unmut über die Blockade, zumal der Entwurf bereits mit dem Kanzleramt abgestimmt worden war. Die Vetos sollen zwischen den Unionsministerien abgestimmt worden sein. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte an, die Reform kommende Woche erneut ins Kabinett zu bringen. Von „Streit“ wollte er nicht sprechen, sondern von offenen Formulierungsfragen. Auch Dobrindt verwies auf eine „normale Ressortabstimmung“.
Die Reform sieht mehrere Verschärfungen vor. Wer Jobangebote oder Maßnahmen ablehnt, soll künftig zwei Monate lang keine Leistungen mehr erhalten. Geld für Familienmitglieder und Miete soll weiter fließen. Zudem sollen Sanktionen bei fehlender Mitwirkung schneller greifen: Nach dem zweiten Meldeversäumnis wären Kürzungen von 30 Prozent vorgesehen.
Besonders umstritten bleibt die vollständige Streichung der Leistungen nach dem dritten Versäumnis. In diesem Fall soll laut Entwurf die Miete direkt an den Vermieter überwiesen werden. Meldet sich die Person danach weiterhin nicht, entfällt der Leistungsanspruch. Bas will für diesen Schritt jedoch verbindlich eine persönliche Anhörung vorschreiben.
Auch im SPD-geführten Bundestag gibt es Vorbehalte. Sozialpolitiker warnen vor Folgen für psychisch erkrankte Menschen. Die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Annika Klose, sagte, es dürfe nicht passieren, dass Betroffene durch Sanktionen in die Obdachlosigkeit geraten. Kritik kommt auch von den Grünen. Sozialpolitiker Timon Dzienus warf der Union vor, zentrale Versprechen aus dem Wahlkampf nicht einzuhalten. „Das C in CDU steht für Chaos“, sagte er und verwies auf gescheiterte Vorhaben sowie die nun blockierte Reform.
Die Blockade dürfte auch den Koalitionsausschuss beschäftigen, der am Mittwochabend tagt. Neben Merz und Bas nimmt auch Reiche teil, ursprünglich wegen des Industriestrompreises. Die Reform könnte nach dem jüngsten Rentenstreit zum nächsten Konfliktthema für Schwarz-Rot werden.
Auch externe Kritik wächst. Der Bundesrechnungshof kritisiert in seinen aktuellen Bemerkungen, dass Jobcenter Bürgergeldbezieher mit geringen Deutschkenntnissen und kleinen Kindern nicht ausreichend zu Sprach- und Integrationskursen verpflichten. Dadurch gingen wichtige Jahre für den Spracherwerb verloren, schreiben die Prüfer. Das verzögere die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt und erhöhe das Risiko eines langfristigen Leistungsbezugs.
Der Entwurf sieht bislang keine Änderungen an den Zuverdienstregeln vor. Diese sollen erst nach Vorlage der Ergebnisse der Sozialstaatskommission folgen. Deren Bericht wird im Januar erwartet.











