Donald Trumps Kandidaten für die Leitung der wichtigsten Gesundheitsbehörden werden kritisch gesehen. Von ihren Entscheidungen wird viel abhängen – auch für Deutschland und Europa, warnt ein Gesundheitsexperte.
77 Nobelpreisträger haben sich gerade in einem offenen Brief gegen Donald Trumps Kandidaten für das Gesundheitsministerium ausgesprochen: Robert F. Kennedy Jr. Sie sehen in ihm eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung. Denn Kennedy ist ein erklärter Impfgegner, der regelmäßig Verschwörungstheorien verbreitet. Aber auch Trumps Wahl für die Leitung des Center for Desease Control and Prevention (CDC) ist umstritten, eine Behörde, die vergleichbar mit dem Robert-Koch-Institut ist. David Weldon, ein Mediziner und früherer Kongressabgeordneter, gilt ebenfalls als Impfskeptiker.
Der Gesundheitsexperte Hajo Zeeb erklärt im Gespräch mit t-online, warum diese Personalentscheidungen weitreichende Folgen nicht nur für das Gesundheitssystem der USA, sondern auch für Deutschland und Europa haben könnten.
Prof. Dr. Hajo Zeeb ist Epidemiologe, Humanmediziner und Gesundheitswissenschaftler. Seit 2010 leitet er die Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen.
t-online: Herr Zeeb, was dachten Sie, als Sie von diesen Ernennungen gehört haben?
Hajo Zeeb: Ich war schockiert.
Sie können also die 77 Nobelpreisträger verstehen, die sich gerade gegen Robert F. Kennedy Jr. als Gesundheitsminister ausgesprochen haben? (mehr dazu hier)
Natürlich. Man kann diesem Aufruf nur zustimmen. Robert F. Kennedy Jr. ist denkbar ungeeignet für diese Position.
In Zeiten, in denen neue Pandemien jederzeit möglich sind, kann es brandgefährlich sein, unwissenschaftliche Impfskeptiker wie Robert F. Kennedy Jr. in der Regierung zu haben. Auch was seine Fähigkeit angeht, eine große Institution wie ein US-Ministerium zu leiten, bin ich skeptisch. Das gilt auch für David Weldon. Er ist ausgebildeter Arzt, seine Bekanntheit beruht aber vor allem darauf, dass er sich als Kritiker der Impfforschung und der Impfregularien des CDC hervorgetan hat. Zudem hat er in großem Stil Falschinformationen zur Gefährlichkeit von Impfungen verbreitet.
Dr. David Weldon verbreitete etwa die Behauptung, dass Thimerosal, ein in Impfstoffen verwendetes Konservierungsmittel, mit Autismus in Zusammenhang steht. Diese Behauptung wurde inzwischen widerlegt. Nach Informationen des Robert Koch-Instituts wird Autismus weder durch Impfungen ausgelöst noch begünstigt.
Wie könnte sich dadurch die Impfpolitik in den USA verändern?
Nach den Äußerungen im Wahlkampf will Trump das CDC verkleinern und schwächen. Viele Forschungs- und Förderlinien des CDC rund um Impfungen könnten auf den Prüfstand gestellt werden. Es ist auch möglich, dass das gesamte Impfprogramm aus dem CDC herausgelöst wird. Daher ist zu befürchten, dass Informationskampagnen und Forschung zur Impfstoffsicherheit eingeschränkt werden und die Impfskepsis in der Bevölkerung geschürt wird. Im schlimmsten Fall wird die Bevölkerung schlechter über jahrzehntelang etablierte Impfprogramme informiert – insbesondere über Impfprogramme für Kinder. Dadurch könnte die Impfquote sinken. Grundsätzlich könnte das Herauslösen der Impfstoffforschung aus der Behörde aber auch einige interessante Entwicklungen auslösen.
Wenn die Forschung zur Impfstoffsicherheit unabhängiger würde, könnte das auch zu einer allgemein verbesserten Forschung führen. Denkbar ist auch, dass es dann endlich zu einer standardisierten Registrierung von unerwünschten Wirkungen von Impfungen und anderen Medikamenten kommt.
Wie könnten sich diese Umstrukturierungen auf Impfstoffe auswirken?
Es kann passieren, dass Pharmaunternehmen bestimmte Impfstoffe oder Forschungsgebiete weniger bearbeiten, wenn es durch die Veränderungen in den USA keine innovative Forschung mehr gibt oder die Impfskepsis durch staatliche Stellen befördert wird.
Könnte sich das auch auf Deutschland auswirken?
Eher nicht. Vermutlich werden primär die USA von diesen Veränderungen betroffen sein.
Wie sieht es mit Medikamenten allgemein aus: Könnte es hier zu Preisanstiegen oder Engpässen auch in Deutschland kommen?
Das ist schwer voraussehbar. Aber fraglos sind bei den angedrohten Zollerhöhungen auch Medikamente ein Thema. Ein Preisanstieg wäre dann möglich. Daneben ist im Rahmen der „America First“-Strategie denkbar, dass die USA weniger exportieren, sobald bestimmte Medikamente im Land knapp werden sollten.
Trump hat in seiner vergangenen Amtszeit gefordert, die Zulassung von Arzneimitteln zu vereinfachen und die entsprechende Aufsichtsbehörde FDA zu schwächen. Werden Arzneimittel in Zukunft dann weniger sicher sein?
Die FDA-Verfahren gehören vermutlich zu den stark regulierten Prozessen, die der Trump-Administration ein Dorn im Auge sind. Andererseits kann es sich auch ein Donald Trump kaum erlauben, weniger geprüfte Medikamente auf den Markt zu bringen. Das kann sehr negative Folgen und schlechte Publicity mit sich bringen. Zudem haben wir in Europa eine eigene Aufsichtsbehörde für die Sicherheit von Medikamenten, die European Medicines Agency (EMA). Daher habe ich hier konkret weniger Sorgen. Aber Überraschungen sind immer möglich. Und die intensive Zusammenarbeit dieser Behörden kann natürlich betroffen und gegebenenfalls nicht mehr so wie bisher möglich sein.