Trinkgeld-Tricks und Kartenzoff
Studie: Warum Gäste Restaurants meiden
17.03.2025 – 17:40 UhrLesedauer: 4 Min.
Viele Gastronomen stehen unter Druck, die Kosten steigen, Gäste bleiben aus. Manche Betriebe vergraulen ihre Kunden mit einem viel simpleren Problem – und merken es nicht einmal.
Die Gastronomie hat turbulente Jahre hinter sich: Corona-Lockdowns, Personalmangel und zuletzt enorm gestiegene Betriebskosten samt Mehrwertsteuererhöhung. Doch nicht nur Inflation und Steuerpolitik haben die Spielregeln verändert. Während einige Restaurants neue Wege gehen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, gibt es auch Betriebe, die die Bedeutung moderner Zahlungsoptionen unterschätzen. Denn eines hat die Pandemie definitiv beschleunigt: den Siegeszug digitaler Zahlungsmethoden.
Umso erstaunlicher, dass es immer noch Restaurants gibt, die sich dieser Entwicklung verschließen. Und das hat Folgen. Denn es gibt einen überraschenden Grund, warum manche Gäste nicht mehr wiederkommen – und der hat nichts mit den gestiegenen Preisen oder der Mehrwertsteuer zu tun.
Die Zahlen einer repräsentativen Studie von Civey im Auftrag der Finanztechnologie-Plattform Adyen sprechen eine klare Sprache: Jeder fünfte Gast macht auf dem Absatz kehrt, wenn in einem Restaurant nur Bargeld akzeptiert wird. In der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen sind es sogar über 30 Prozent. Das bedeutet: Wer digitale Zahlungsmethoden ignoriert, nimmt in Kauf, potenzielle Gäste zu verlieren.
In der Studie wurden 2.500 Personen über 18 Jahre in Deutschland zu ihren bevorzugten Zahlungsmethoden befragt. Besonders auffällig ist der Studie zufolge der Unterschied zwischen den Geschlechtern: Männer reagieren empfindlicher auf fehlende Kartenzahlung als Frauen. 26,2 Prozent der Herren meiden solche Restaurants, während nur 14,5 Prozent der Damen darauf Wert legen.
Für viele Gäste sei ein Restaurantbesuch mittlerweile eine bewusste Entscheidung, die sie gut abwägen, erklärt Hella Fuhrmann, Country Managerin DACH bei Adyen. „Wer heute auf digitale Zahlungsmethoden verzichtet, läuft Gefahr, Gäste zu verlieren.“
Aber nicht nur das Geschlecht spielt laut Studie eine Rolle, sondern auch die Generation: Während Millennials (30 bis 39 Jahre) digitale Zahlungsmethoden bevorzugen – fast die Hälfte von ihnen bezahlt bevorzugt mit Karte oder Handy –, hält die Gen Z (18 bis 29 Jahre) zumindest beim Bezahlen in der Gastronomie überraschenderweise noch am Bargeld fest. 56,3 Prozent der jungen Erwachsenen zahlen lieber klassisch, obwohl sie ansonsten mit ihren Smartphones viele alltägliche Aufgaben erledigen.
Doch auch hier zeigt sich ein Wandel: Kreditkarten sind in dieser Altersgruppe überdurchschnittlich beliebt (14,8 Prozent), was sonst eher für die Generation 65+ typisch ist. Digitale Zahlungsmethoden sind also weiter auf dem Vormarsch.
Restaurantbesucher erwarteten zunehmend flexible Zahlungsoptionen. Verbraucher wünschen sich nicht nur eine bequeme und sichere Bezahlung, sondern auch die Freiheit, den Zahlungsprozess ihren individuellen Vorlieben anzupassen, betont Fuhrmann.
Viele Restaurants haben sich inzwischen auf digitale Zahlungen eingestellt und bieten ihren Gästen alle gängigen Methoden an. Doch anstatt eine reibungslose Erfahrung zu gewährleisten, stoßen sie mancherorts auf ein neues Problem: die Trinkgeldinflation, auch „Tipflation“ genannt. Lesen Sie hier mehr zur Trinkgeldkultur im Wandel.
Dieses Phänomen ist längst aus den USA bekannt. Seitdem digitale Kassensysteme in Restaurants, Cafés, Supermärkten und sogar an Flughäfen Einzug gehalten haben, werden Kunden bei Kartenzahlungen häufig zur Großzügigkeit animiert. Der Ablauf ist immer gleich: Man zahlt mit Karte – und plötzlich ploppen am Bildschirm festgelegte Trinkgeldoptionen auf. 10, 15 oder 20 Prozent?
Die Auswahl scheine klar, aber nicht jeder Gast fühle sich damit wohl, weiß Christian Traxler, Professor of Economics an der Berliner Hertie School. Durch die Anzeige von festen Prozentsätzen würden Menschen manipuliert, ein höheres Trinkgeld zu geben, als sie eigentlich möchten, so Traxler.
Dass das Trinkgeldverhalten sehr unterschiedlich ist, zeigt auch die Adyen-Studie: Die einen geben regelmäßig 10 bis 14 Prozent, die anderen maximal fünf bis neun Prozent. Und dann gibt es noch die Gen Z – ein Viertel von ihnen (22,1 Prozent) gibt gar nichts. Es ist verständlich, dass viele Restaurants mit festen Beträgen gegensteuern wollen.
Doch genau hier liegt das Problem: Laut Studie wollen 75 Prozent der Deutschen sich nicht vorschreiben lassen, wie viel sie geben sollen. Trinkgeld per Karte? Ja, gerne! Aber bitte ohne Zwang. Der Gast möchte selbst entscheiden, ob es der runde Euro oder der großzügige Zehner wird – und nicht vom Kassensystem zu einer schnellen Entscheidung gedrängt werden.