Norbert Röttgen wirbt für eine stille Diplomatie mit Israel. Journalist Prantl wirft ihm vor, eine wichtige Aufgabe abzuwälzen.
Putin versetzt Selenskyj – und Europa schaut zu? Diese Frage hat Caren Miosga am Sonntagabend mit ihren Gästen diskutiert. Von CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen wollte sie in diesem Zusammenhang auch wissen, wer bei der „Ultimatumsandroherei“ Europas gegenüber Russland noch Angst bekommen solle. Schließlich würden Ultimaten ständig weiter hinausgeschoben. Miosga verwies unter anderem auf das Ultimatum für eine 30-tägige Waffenruhe, das Russland vergangene Woche verstreichen ließ.
- Norbert Röttgen, CDU-Außenpolitiker
- Claudia Major, Politikwissenschaftlerin
- Rüdiger von Fritsch, Botschafter Deutschlands in Moskau a. D.
- Heribert Prantl, Journalist und Publizist
- Vassili Golod, Leiter ARD-Studio
Europa bemühe sich, durch Sanktionen Druck auf Putin auszuüben, gleichzeitig die Ukraine besser militärisch zu unterstützen und außerdem den US-Präsidenten an der eigenen Seite zu behalten, erklärte Röttgen. Bundeskanzler Friedrich Merz habe mehrfach gesagt, dass es Sanktionen geben werde, sollte es nicht zu einer Feuerpause kommen, betonte Röttgen. „Aber es gab keine Sanktionen“, beharrte Miosga.
Der Grund dafür sei nicht ein Sinneswandel der Europäer, sondern die Tatsache, dass sich US-Präsident Donald Trump zu Verhandlungen mit Kreml-Chef Wladimir Putin bereit erklärt habe, stellte Röttgen klar und fügte hinzu: Sanktionen seien mit dieser Bewegung nicht vereinbar gewesen.
Ziel der europäischen Diplomatie sei es, dass auch Trump Russland mit Sanktionen belege und so zu Friedensgesprächen bringe, führte der CDU-Mann aus. Das würde auf Putin Eindruck machen, so seine Einschätzung. Miosga zeigte sich wenig überzeugt. Was aus europäisch-amerikanischer Perspektive Sinn ergebe, sorge im Kreml doch dafür, dass man sich „scheckig“ lache, mutmaßte sie.
„Nein, durchaus nicht“, stellte der ehemalige Botschafter Deutschlands in Moskau, Rüdiger von Fritsch, klar. Bei Sanktionen gehe es weniger um den genauen Zeitpunkt, wann diese verhängt werden, sondern viel mehr darum, welche Auswirkungen sie zeigten. „Der Effekt ist ungeheuer“, so die Einschätzung des Russland-Experten. Russlands Volkswirtschaft sei von den bereits bestehenden Sanktionen deutlich geschwächt worden, erklärte er weiter: Wichtige Einnahmen aus Öl und Gas fielen beispielsweise weg, Lebensmittelpreise seien um über zwölf Prozent gestiegen und die finanziellen Reserven Russlands zu Zweidritteln „aufgefressen“.
„Das hält auch Wladimir Putin nicht ewig durch“, so von Fritsch. Wenn man im Westen zusammenhalte, bringe man Putin an den Punkt, wo der Krieg für ihn so teuer werde, dass er die Zustimmung der Menschen nicht mehr kaufen könne, so der Ex-Botschafter. Das sei dann der Zeitpunkt, an dem der Machthaber zu Verhandlungen bereit sei. Unterstützung bekam von Fritsch von der Vizepräsidentin für Transatlantische Sicherheitsinitiativen beim German Marshall Fund, Claudia Major. Verhandlungen beginnen in der Regel dann, wenn alle Beteiligten mehr vom Aufhören haben als vom Weitermachen, erklärte auch sie.
Major warnte jedoch auch davor, dass Russland ein anderes Verständnis von Diplomatie habe als die westlichen Staaten. Der Westen sehe Gespräche als Mittel um Kompromisse zu finden und den Krieg zu beenden, erklärte die Politikwissenschaftlerin. Für Russland seien Verhandlungen lediglich ein anderes Mittel, um den Krieg zu gewinnen. Deutlich anderer Meinung als die drei anderen Studio-Gäste war Journalist Heribert Prantl.
Eine Waffenruhe zu fordern und gleichzeitig Sanktionen auf den Tisch zu legen sei eine Art zu verhandeln, die ihm als Mediator „sehr fremd“ sei, so Prantl. Er warb dafür, Sanktionen als „Verhandlungsmasse“ einzusetzen, indem man sie im Gegenzug für ordentliche Verhandlungen abschaffe. Er glaube nicht daran, dass Putin aufgebe, wenn Sanktionen gesteigert werden, so Prantl. Mit Blick auf Röttgen, von Fritsch und Major kritisierte er: „Da sitzen lauter Leute am Tisch, die ganz genau wissen, was Putin denkt.“ Er frage sich jedoch, ob das wirklich der Fall sei.
Die Geschichte habe gezeigt, dass das Einleiten von Friedensgesprächen Zeit brauche, führte Prantl aus. Dabei gehe es darum auszuloten, wie auf bestimmte Maßnahmen reagiert werde. Nachdem Putin lediglich eine Delegation nach Istanbul geschickt hatte, seien die Gespräche direkt als „Schauspiel“ abgehakt worden, kritisierte er. „Ich würde mir wünschen, dass man ein bisschen länger abwartet“, so der Journalist.