Womöglich sitzt die Frustration aber auch tiefer. Hamilton scheint erst jetzt zu begreifen, wie groß die Aufgabe ist, der er sich mit seinem Ferrari-Engagement gestellt hat. Offen hatte er seinen Wechsel auch mit dem Mythos begründet, der von der Marke Ferrari ausgeht. Jeder Fahrer träume davon, einmal in seiner Karriere im legendären roten Auto zu sitzen, sagte er damals.
Die aktuelle Situation wirft jedoch die Frage auf, ob er sich von dem Mythos Ferrari hat blenden lassen. Zwar ist Ferrari das erfolgreichste und berühmteste Team der Formel-1-Geschichte. Jedoch sind die letzten Erfolge mittlerweile schon fast zwei Jahrzehnte her. Den letzten Fahrertitel in einem Ferrari holte Kimi Räikkönen. Das war 2007.
Seither scheiterten selbst gestandene Fahrer wie etwa Doppelweltmeister Fernando Alonso oder auch Vierfachweltmeister Sebastian Vettel daran, mit Ferrari weitere Titel in ihre Sammlung aufzunehmen. Den Rückstand aufzuholen, den das Auto aktuell auf die Spitze hat, wird auch für Hamilton eine Herkulesaufgabe.
Immerhin: Michael Schumacher erlebte in seinem ersten Jahr bei Ferrari ebenfalls eine Horror-Saison. Sein Auto aus dem Jahr 1996 ging als „Rote Gurke“ in die Geschichtsbücher ein. Dann schaffte er es jedoch, das Auto mit dem Team weiterzuentwickeln – und wurde zur dominanten Kraft der Rennserie.
Rein vom fahrerischen Talent wäre Hamilton ähnliches zuzutrauen. Sein Problem bleibt jedoch der Faktor Zeit: Schumacher gewann seinen ersten Titel mit Ferrari erst in der fünften Saison. Angesichts seines bereits fortgeschrittenen Sportleralters dürfte Hamilton keine fünf Saisons Zeit haben, um die Wende zu schaffen.
Mit Blick auf sein Ex-Team Mercedes, das aktuell deutlich schneller unterwegs ist als Ferrari und sich phasenweise sogar als zweite Kraft hinter den dominanten McLaren etablieren konnte, erhärtet sich der Eindruck: Hamilton hat sich mit seinem Wechsel verfahren.
Er selbst ruft jedoch zunächst einmal zur Geduld auf. „Wir alle wollen sofort gewinnen, aber es wird dauern, bis wir dort sind, wo wir sein müssen“, sagte Hamilton vor seinem ersten Ferrari-Heimspiel im italienischen Imola am kommenden Wochenende.