Unser Reporter erlebte das verheerende Beben in Nordthailand mit – zwischen herabfallenden Gegenständen und panischen Nachbarn.
„Es fühlte sich an, als würde jemand das gesamte Hochhaus schütteln wie eine Dose Sprühsahne“, berichtet t-online-Redakteur Johannes Nuß mit noch immer zittriger Stimme. Als das schwere Erdbeben in Myanmar heute die nordthailändische Stadt Chiang Mai erreichte, befand sich unser Reporter gerade im Homeoffice – im sechsten Stock eines Wohnhochhauses, nur wenige Hundert Kilometer vom Epizentrum entfernt.
Was als normaler Arbeitstag begann, verwandelte sich binnen Sekunden in einen Albtraum. „Plötzlich bebte alles. Der Bildschirm vor mir tanzte, Bücher rutschten aus den Regalen“, erinnert sich Nuß an die bangen Momente. „Es hat sicherlich einige Minuten richtig heftig gewackelt, sodass ich meine Wohnung nicht verlassen konnte.“
„Ich klammerte mich am Türrahmen fest und betete, dass es bald aufhören würde“, schildert er. Erst nach quälend langen drei bis vier Minuten ließ das Beben so weit nach, dass er die Flucht antreten konnte.
- Katastrophe in Südostasien: Schweres Erdbeben – laut Behörden zahlreiche Opfer
Die Panik war greifbar: „Ich war so durch den Wind, dass ich vergaß, meine Schuhe anzuziehen.“ Im Treppenhaus traf er auf ebenso verstörte Nachbarn. „Wir alle hatten nur einen Gedanken: Raus hier, und zwar schnell.“ Gemeinsam stolperten sie die Nottreppe hinunter, während das Gebäude noch immer leicht schwankte.
Vor dem Wohnkomplex sammelten sich Dutzende verstörte Bewohner. Die Erleichterung, im Freien zu sein, war allen anzusehen. „Ein Sicherheitsmitarbeiter in blauer Uniform versuchte, beruhigend auf die Menschen einzuwirken, aber seine eigene Nervosität war nicht zu übersehen“, berichtet Nuß. In diesen Momenten zeigten sich kleine Gesten der Menschlichkeit: „Mein Nachbar hatte zum Glück Zigaretten dabei, ich hatte meine vergessen. Er hat mich versorgt – zwei Fremde, vereint durch den Schrecken.“
Video | Im Video: Plötzlich geht alles unter
Besonders dramatisch stellte sich die Situation im Central Festival Chiang Mai dar, dem größten Einkaufszentrum Nordthailands, das sich direkt gegenüber von Nuß‘ Wohnanlage befindet. „Als das Nachbeben kam, brach dort die Hölle los“, beschreibt unser Reporter die Szene. „Von dort waren panische Schreie zu hören. Menschen jeden Alters stürmten aus den Eingängen.“
Die Stromversorgung in Chiang Mai brach für etwa zwei Stunden zusammen. „Ohne Strom ging natürlich nichts mehr – weder Aufzüge noch Klimaanlagen oder Internet“, berichtet Nuß.
Während größere Schäden in Chiang Mai bisher nicht gemeldet wurden, gibt es bereits erste Reaktionen aus dem Tourismussektor. Einige Hotels berichten von einzelnen Stornierungen nach dem Erdbeben. Insgesamt scheint die Situation in der bei Touristen beliebten Stadt aber unter Kontrolle zu sein.
Inzwischen sind die Menschen wieder auf den Straßen, die Märkte öffnen wieder. „Aber in den Gesichtern vieler Menschen sieht man noch immer die Angst vor dem nächsten Beben“, so Nuß.
Das Beben, dessen Epizentrum in Myanmar lag, hatte nach Angaben des Deutschen Geoforschungsinstituts (GFZ) eine Stärke von 7,6, die US-Erdbebenwarte USGS verzeichnete sogar 7,7. Ersten Berichten zufolge sind in Myanmar eine Brücke und mehrere Gebäude eingestürzt. In dem Ort Aung Ban kollabierte ein Hotel, viele Menschen sollen dort eingeschlossen sein.
In Bangkok wurden beim Einsturz eines im Bau befindlichen Hochhauses mehr als 40 Bauarbeiter verschüttet. Für die Hauptstadt wurde der Notstand ausgerufen.
Wenige Minuten nach dem ersten Beben registrierten Forscher ein weiteres Beben mit einer Stärke von 6,4. Die Erschütterungen waren auch in Teilen Chinas und Indiens zu spüren.