„Er hat gelogen“
Ungeschwärzter Maskenbericht bringt Spahn in Bedrängnis
04.07.2025 – 20:03 UhrLesedauer: 3 Min.
Der Bericht zur Maskenbeschaffung während der Pandemie liegt erstmals vollständig offen. Die Opposition sieht nicht nur Jens Spahn schwer belastet.
Jens Spahn hatte schon während der Pandemie Ungutes geahnt. „Wir werden einander viel verzeihen müssen“, hatte der damalige Bundesgesundheitsminister während der Corona-Pandemie gesagt. Auch ein Buch hatte Spahn unter dem gleichen Titel herausgebracht. In der aktuellen Affäre muss der CDU-Politiker nun selbst auf Verzeihung hoffen.
Der Rechercheverbund von Spiegel, WDR und Süddeutscher Zeitung legte am Freitag erstmals den vollständigen Untersuchungsbericht zu Spahns Maskendeals offen. Auch t-online liegt der Bericht vor.
Die ehemalige Staatssekretärin Margretha Sudhof hat den Bericht verfasst. Sie hatte ihn den Mitgliedern des Haushaltsausschusses im Bundestag vorgelegt, doch wichtige Passagen waren geschwärzt. Jetzt liegt der 150-seitige Bericht ohne geschwärzte Passagen offen.
Das Dokument offenbart, dass Jens Spahn persönlich in zentrale Entscheidungen eingebunden war. Auf bislang geschwärzten Seiten wird detailliert geschildert, wie Spahns Ministerium mit dem Schweizer Händler Emix einen milliardenschweren Vergleich aushandelte, der dem Bund kaum Vorteile brachte.
Deutschland hatte bei der Schweizer Firma Emix Trading FFP2-Masken gekauft. Das Unternehmen, das vorher mit Masken wenig zu tun hatte, kaufte die Ware in China ein und mit Gewinn an Spahns Ministerium weiter. Aber auch die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg griffen zu. In der Schweiz wurde das Unternehmen wegen überteuerter Ware wegen Wuchers verurteilt.
Der Bericht zeigt auch, dass Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) die Schwärzungen offenbar gezielt nutzte, um die Verantwortung Spahns zu verschleiern. So fehlen in der ursprünglichen Fassung zahlreiche Belegstellen, die seine direkte Beteiligung an den Beschaffungsprozessen dokumentieren.
Der Bericht legt offen: Emix verkaufte dem Bund FFP2-Masken zu Stückpreisen von bis zu sieben Euro, obwohl der Marktpreis zu diesem Zeitpunkt deutlich niedriger lag. Der Bund zahlte insgesamt 750 Millionen Euro an das Schweizer Unternehmen. Besonders brisant: Obwohl der TÜV Nord fast die Hälfte der gelieferten Masken als mangelhaft einstufte, erkannte das Gesundheitsministerium den Großteil dieser Lieferungen dennoch als mangelfrei an.
Laut Sudhof hatte ein Abteilungsleiter des Ministeriums am 18. Mai 2020 eine „Klarstellungsvereinbarung“ mit Emix unterzeichnet, die Emix umfangreiche Nachlieferungsrechte einräumte – Sonderkonditionen, die anderen Anbietern verweigert wurden. Sudhof kritisiert: „Im Lichte der Marktlage im Mai 2020 erschließt sich jedenfalls nicht, inwiefern der Emix-Vergleich die Interessen des Bundes angemessen abbildet.“
Besonders schwer wiegt, dass die ungeschwärzten Passagen zeigen, wie eng Spahn in die Vorgänge eingebunden war. Mehrere E-Mails und Vermerke belegen, dass Beamte ihn vor Risiken warnten und er über wesentliche Entscheidungen informiert war. So heißt es in einem Vermerk des Haushaltsbeauftragten vom 9. März 2020: „Weisung Min(ister), dass Beschaffung eingeleitet wird, bevor eine formale Haushaltsermächtigung vorliegt.“
Die Sondergutachterin Sudhof wurde von dem damaligen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eingesetzt. Die Berichterstatterin ist Mitglied der SPD, hat aber auch der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Staatssekretärin gedient. Ihre Untersuchung befasst sich zum einen mit Schadenersatzforderungen an den Bund in Milliardenhöhe.
In die Kritik beim Emix-Deal gerät dabei nicht nur Jens Spahn. Auch zwei weitere Bekannte werden benannt: die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier, Tochter von Franz Josef Strauß, sowie Andrea Tandler, Tochter des ehemaligen bayrischen Wirtschafts- und Finanzministers Gerold Tandler (CSU).