
Neue Studie zeigt
Nahostkonflikt führt zu Selbstzensur an deutschen Unis
15.09.2025 – 13:55 UhrLesedauer: 3 Min.
Der Nahostkonflikt belastet den wissenschaftlichen Betrieb in Deutschland. Eine neue Studie offenbart wachsende Selbstzensur – und eine Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit.
Eine bundesweite Studie von Forschern der Freien Universität Berlin zeigt nun, wie stark sich der Nahostkonflikt auf den wissenschaftlichen Alltag in Deutschland auswirkt. Knapp 85 Prozent der befragten Wissenschaftler gaben an, die Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit habe nach dem 7. Oktober zugenommen. Drei Viertel berichten von Selbstzensur, fast ein Viertel fühlt sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht mehr frei, die eigene Meinung äußern zu können.
„Die Einschätzung der Befragten ist fast durch die Bank, dass sich das Debattenklima negativ entwickelt hat“, erklärte Projektleiter Jannis Julien Grimm dem „Tagesspiegel“. „Man fühlt sich bedroht und betreibt deshalb in hohem Maße Selbstzensur.“
Allerdings handelt es sich bei der Untersuchung nicht um eine repräsentative Umfrage, wie im Abschlussbericht ausdrücklich betont wird. Befragt wurde eine gezielte Stichprobe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die zu Themen mit Bezug zum Nahostkonflikt forschen und lehren. Dazu zählen Vertreter aus Disziplinen wie Arabistik, Jüdische Studien, Islamwissenschaft, Kultur- und Politikwissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung sowie weiterer Fachrichtungen. Eingeladen zur Online-Befragung wurden mehr 2.100 Personen, 477 nahmen teil.
Der wachsende Druck auf Vertreter dieser Disziplinen gehe in beide Richtungen, so Grimm. Während sich einige scheuten, Kritik am israelischen Vorgehen in Gaza zu äußern, übe sich ein anderer Teil in Zurückhaltung, wenn es um Solidaritätsbekundungen für die israelische Politik geht. Trotzdem zeigten die Antworten der Wissenschaftler eine klare Schieflage: Die Selbstzensur ist besonders stark ausgeprägt, wenn es um Kritik an Israel oder Solidarität mit Palästina geht, erklärte Grimm.
Wissenschaftler, die selbst nicht an der Studie beteiligt waren, bemängeln zwar die wissenschaftliche Tragfähigkeit des Vorgehens, erkennen aber zugleich an, dass die Untersuchung wertvolle Hinweise auf ein generelles Stimmungsbild im wissenschaftlichen Betrieb liefert.
So merkt der Politikwissenschaftler Heiko Giebler, der ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war, an, dass es generell Probleme mit retrospektiven Umfragen gebe: „Die Erinnerung an die Zeit vor dem 7. Oktober wird immer von verzerrten Erinnerungen und der heutigen Wahrnehmung überlagert sein. Umgekehrt gilt: Wenn drei Viertel der Befragten von Selbstzensur berichten und 85 Prozent sagen, die Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit habe zugenommen, dann ist das ein Hinweis, den man ernst nehmen sollte.“










