ADAC warnt vor Tests
Experten uneins: Strengere Kontrollen für Senioren am Steuer?
Aktualisiert am 30.01.2025 – 15:22 UhrLesedauer: 3 Min.
Sind ältere Menschen eine Gefahr für den Straßenverkehr? Ein Fachkongress öffnet die Debatte wieder. Die Forderungen im Überblick.
Sind ältere Menschen eine Gefahr für den Straßenverkehr? Darüber wird in Deutschland seit Jahren immer wieder debattiert. Die Meinungen von Fachleuten dazu gehen auseinander – ebenso wie mögliche Lösungsvorschläge.
Hintergrund der neu aufgeflammten Debatte ist der heute beginnende Verkehrsgerichtstag in Goslar. Der dreitägige Kongress zählt jedes Jahr zu den wichtigsten Treffen von Verkehrssicherheits- und Verkehrsrechtsexperten in Deutschland und endet mit Empfehlungen an den Gesetzgeber. Mit 1.915 angemeldeten Fachleuten nehmen in diesem Jahr deutlich mehr als im Vorjahr (1.700) teil. Thema ist dabei in diesem Jahr unter anderem, welche Rechte die Polizei bei Verkehrskontrollen etwa von älteren Menschen haben soll.
Bisher ist geregelt, dass die Polizei Autofahrer, bei denen sie Einschränkungen bei der Fahreignung vermutet, der Führerscheinstelle melden muss, erklärt ADAC-Chefjurist Andreas Schäpe. Die Behörde prüft die Hinweise in Gesprächen mit den Betroffenen und ordnet dann gegebenenfalls eine Beobachtungsfahrt oder eine fachärztliche Untersuchung an.
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Aber: Aus ADAC-Sicht ginge es zu weit, wenn die Polizei künftig bei Kontrollen Tests durchführen würde, die speziell auf mögliche Defizite älterer Verkehrsteilnehmer abzielen.
An dieser Regelung solle prinzipiell auch nichts geändert werden, betont der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens. Er fordert aber klarere Regeln darüber, wann die Polizei die Weiterfahrt untersagen kann. Bereits jetzt dürften die Beamten den Führerschein oder den Autoschlüssel zeitweise zur Gefahrenabwehr einziehen.
Es dürfe nicht passieren, dass Polizisten auffällige Menschen nach einer Kontrolle weiterfahren lassen und diese dann einen Unfall verursachen. Zudem forderte er generell härtere Strafen für Verkehrswidrigkeiten – etwa häufigere Fahrverbote.
Die Versicherer erneuerten in dem Zusammenhang ihre Forderung nach verpflichtenden Rückmeldefahrten für ältere Autofahrer. Damit gemeint sind 30- bis 60-minütige Fahrten im realen Straßenverkehr mit einem speziell geschulten Fahrlehrer oder Verkehrspsychologen, die danach Empfehlungen abgeben.
Die Ergebnisse der Rückmeldefahrt sollen aber geheim bleiben und keine Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis haben. Studien würden zeigen, dass ältere Menschen mit den richtigen Hinweisen trotz altersbedingter Einschränkungen weiter sicher Auto fahren können, sagt Unfallforscherin Kirstin Zeidler vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.
Auch die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) hält Rückmeldefahrten für sinnvoll. Sie müssten aber freiwillig bleiben, sagte DGVP-Präsident Wolfgang Fastenmeier. Senioren seien ohnehin motiviert, ihre Defizite zu erfahren, argumentiert er. Ältere Menschen hätten schließlich selbst ein Interesse daran, lange und sicher Auto zufahren.
Er frage sich, so Fastenmeier: „Warum sollen wir Millionen von Führerscheinen untersuchen für eine Handvoll schwarzer Schafe?“ Besser seien daher klare, vorgegebene Indizien, ab wann die Fahreignung untersucht werden soll. Das solle dann wie bisher von Fachleuten etwa bei einer MPU gemacht werden.
Standardisierte Tests bei Verkehrskontrollen?
Neben älteren Menschen im Verkehr soll in dem Arbeitskreis in Goslar aber auch generell über Verkehrskontrollen gesprochen werden. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert etwa standardisierte, freiwillige Tests nach US-amerikanischem Modell. Der Test, der derzeit etwa in Hamburg und Niedersachsen erprobt wird, beinhaltet unter anderem das Stehen auf einem Bein oder das Gehen auf einer geraden Linie. In den USA sei der Nutzen der Tests bereits wissenschaftlich überprüft worden, heißt es von der Polizeigewerkschaft.
Für den Automobilclub von Deutschland ist dabei wichtig, dass niemand zu diesen Tests gezwungen werden darf und Betroffene über die Freiwilligkeit informiert werden müssen.
Kritik an diesen Tests kommt etwa vom Deutschen Anwaltverein. Der Verein befürchtet, dass die Polizei solche Tests vor allem bei Frauen und älteren Menschen anwenden könnte, auch wenn es gar keinen Hinweis auf eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit gibt. Durch unbegründete Tests könnten Menschen diskriminiert werden. Ferner seien Polizisten nicht ausreichend ausgebildet, um Erkrankungen wie Diabetes und dessen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit zu erkennen.