Das Pflichtelement fehlte im Pistorius-Gesetz. Nicht nur war es damals in der SPD kaum vermittelbar. Auch in der damaligen Ampel sträubten sich FDP und Teile der Grünen dagegen. Doch die politischen Realitäten haben sich geändert. Ein Bündnis mit der Union gibt Pistorius nun die Gelegenheit, sein Modell zu überarbeiten und einen stärkeren Pflichtteil zu integrieren. Wird er die Chance nutzen?
Klar ist: Zunächst müsste Pistorius in der eigenen Partei Überzeugungsarbeit leisten. Denn die alten Konfliktlinien haben offenbar auch in der neuen SPD-Fraktion überlebt. Nur so lassen sich die SPD-Sätze im Arbeitsgruppenpapier deuten: Der parteiinterne Konflikt wird oberflächlich gekittet, man bleibt beim Formelkompromiss vom letzten Jahr. Der Fall, dass sich nicht genügend junge Menschen für einen freiwilligen Wehrdienst melden könnten, wird ausgeklammert. Es ist das Prinzip Hoffnung. Ob so „glaubhafte Abschreckung“ in einer zunehmend instabilen Weltlage gewährleistet werden kann? Fraglich.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Falko Droßmann, sieht das anders – und weist die Unionsforderung scharf zurück: „Eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht zu fordern, ist kurzsichtig und populistisch. Wir haben nicht genügend Ausbilder, Waffen oder Kasernen, um jedes Jahr Hunderttausende Rekruten vernünftig ausbilden zu können.“ Wer heute einen Brief zur Einberufung bekäme, hätte morgen nicht mal ein Bett in der Kaserne, so Droßmann.
Der SPD-Politiker wirbt stattdessen für das Wehrdienstmodell von Pistorius: Zunächst müsse die Wehrerfassung wieder aufgebaut werden, damit die Bundeswehr überhaupt erst mal wisse, wer als tauglicher Kandidat infrage käme, so Droßmann. Parallel müsse die Infrastruktur modernisiert und neue Waffensysteme beschafft werden. Bevor das nicht erfolgt sei, bräuchte man über eine Wehrpflicht gar nicht erst nachdenken.
Den Vorwurf, die SPD würde das Problem auf die lange Bank schieben, anstatt sich für den Ernstfall zu rüsten, weist er zurück: „Wir haben eine Wehrpflicht, sie ist nur in Friedenszeiten ausgesetzt. Im Ernstfall könnten wir junge Männer auch jetzt schon gegen ihren Willen einziehen, um das Land zu verteidigen.“
Doch manchen in der SPD geht das nicht schnell genug. Der ehemalige Wehrbeauftragte (2015 bis 2020) und heutige Präsident der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, Hans-Peter Bartels (SPD), sagt t-online: „Wir haben eine Bedrohungslage wie seit Jahrzehnten nicht. Doch die Bundeswehr ist aktuell nicht in der Lage, das Land zu verteidigen, weil ihr schlichtweg die Soldaten fehlen.“ Ein Modell, das rein auf Freiwilligkeit setzt, sei nicht mehr zeitgemäß, warnt Bartels.