Der Grünen-Politiker Robert Habeck fordert, Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden mit Sozialabgaben zu belasten. Das würde vor allem Sparer hart treffen.
Warum soll Arbeit höher belastet werden als Kapitaleinkünfte? Diese Frage stellte Grünen-Politiker Robert Habeck am Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ und löste damit eine hitzige Debatte aus. Sein Vorschlag: Kapitaleinkünfte wie Zinsen oder Dividenden sollen künftig der Sozialversicherungspflicht unterliegen – ein radikaler Schritt, der vor allem Arbeitnehmer entlasten und die Finanzierungslücken in den Sozialkassen schließen soll. Doch welche Konsequenzen hätte das für Sparer? Wir haben nachgerechnet.
Kapitaleinkünfte wie Zinsen, Dividenden und Gewinne aus Wertpapieranlagen unterliegen in Deutschland einer Abgeltungsteuer von 25 Prozent. Hinzu kommen Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer, was die Belastung auf bis zu 28 Prozent erhöhen kann. Allerdings gibt es einen Freibetrag: Erst wenn die Einkünfte den Betrag von 1.000 Euro pro Person und Jahr überschreiten, greift die Steuer.
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Habecks Vorschlag geht noch einen Schritt weiter: Neben der Abgeltungsteuer sollen auch Sozialbeiträge auf Kapitalerträge erhoben werden. Dazu zählen Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, die aktuell rund 40 Prozent des Einkommens ausmachen können.
Die Sozialabgaben in Deutschland setzen sich aus verschiedenen Beitragssätzen zusammen.
- Krankenversicherung: 14,6 Prozent (ohne Zusatzbeitrag)
- Rentenversicherung: 18,6 Prozent
- Arbeitslosenversicherung: 2,6 Prozent
- Pflegeversicherung: 3,6 Prozent
- Zusatzbeitrag zur Pflegeversicherung: 0,6 Prozent
Die Sozialabgaben belaufen sich auf insgesamt 40 Prozent. Diese werden in der Regel je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen. Zu beachten ist, dass es Beitragsbemessungsgrenzen gibt, ab denen keine höheren Beiträge mehr fällig werden.
Betroffen wären alle Erträge aus klassischen Sparanlagen wie Tagesgeldkonten, Festgeld und Bausparverträgen sowie Einkünfte aus Aktien, Fonds und anderen Wertpapieren. Insbesondere Anleger mit höheren Kapitalerträgen müssten deutlich mehr zahlen.
Nehmen wir an, ein Anleger erzielt 5.000 Euro an Zinsen und Dividenden im Jahr. Nach Abzug des Freibetrags von 1.000 Euro bleiben 4.000 Euro, auf die Abgeltungsteuer erhoben wird. Dies bedeutet aktuell eine Steuerlast von 1.000 Euro (25 Prozent).
Kommen noch Sozialabgaben hinzu, könnten bei einer Belastung von 20 Prozent (Arbeitnehmeranteil) weitere 800 Euro anfallen. Insgesamt würde der Staat also 1.800 Euro kassieren. Unklar ist, welches Abgabenmodell die Grünen meinen. Da es bei Kapitaleinkünften keinen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im klassischen Sinne gibt, könnte die Zusatzbelastung für Sparer auch die vollen 40 Prozent, also inklusive Arbeitgeberanteil, ausmachen. Das wären dann nicht 1.800 Euro, sondern 2.600 Euro – mehr als die Hälfte des Einkommens aus Kapitalerträgen.
Unterstützung erhält der Vorschlag unter anderem vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des SoVD, sieht darin eine gerechte Verteilung der Lasten: „Warum sollen nur Löhne und Gehälter für die Finanzierung der Sozialsysteme herangezogen werden?“ Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt den Vorstoß.
Kritik kommt aus der Wirtschaft und von politischen Gegnern. Daniel Bauer, Chef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, sieht darin eine Belastung für die Mittelschicht: „Millionäre trifft das kaum, da Sozialbeiträge eine Beitragsbemessungsgrenze haben.“ FDP-Vizefraktionschef Christoph Meyer spricht von „ökonomischer Kleingeistigkeit“.
Ökonom Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg kritisiert Robert Habecks Plan und wirft ihm Unkenntnis des Steuersystems vor. Habeck habe ein „erschreckendes Unwissen“ über das deutsche Steuersystem. Er warnt, dass die zusätzlichen Sozialabgaben einen „Anschlag auf alle Sparer“ darstellten, insbesondere auf jene, die eigenverantwortlich für ihr Alter vorsorgten.
Er betont, dass Kapitalerträge in Deutschland bereits umfassend besteuert werden und durch zusätzliche Belastungen weiter schrumpfen würden. Zudem kritisiert der Ökonom die Behauptung, dass Kapitaleinkünfte weniger stark besteuert würden als Arbeitseinkommen, und bezeichnet dies als „schlichtweg falsch“. Er weist darauf hin, dass die doppelte Besteuerung von Kapitaleinkünften diese oft höher belastet als Löhne und Gehälter.
Raffelhüschen vergleicht den Plan mit dem Versuch, „ein leckes Boot immer wieder mit neuem Wasser zu füllen, anstatt das Loch zu flicken“. Die Finanzierungsprobleme der Sozialsysteme lägen nicht bei den Einnahmen, sondern bei den ausufernden Ausgaben.
Sollte der Vorschlag umgesetzt werden, könnte dies tiefgreifende Folgen für die Sparkultur und die private Altersvorsorge in Deutschland haben. Die Folge: Die ohnehin niedrige Sparquote an den Kapitalmärkten würde weiter sinken und insbesondere Kleinsparer könnten sich zunehmend von langfristigen Geldanlagen abwenden.
Auch wenn der Co-Chef der Grünen, Felix Banaszak, beteuert, dass diese verschont bleiben sollen, droht ohne einen klar definierten hohen Freibetrag auch Durchschnittsverdienern eine deutliche Mehrbelastung.