Die angespannte Weltlage erhöht den Druck auf Union und SPD. Binnen kürzester Zeit wollen die Parteien einen Kompromiss für neue Schulden finden. Doch die Gespräche ziehen sich.
Boris Pistorius muss mal ein paar Schritte gehen. Gegen Mittag kommt der SPD-Politiker aus der Tür, die zum Bereich des Unions-Fraktionsvorsitzenden im fünften Stock des Jakob-Kaiser-Hauses führt. Mit dem Handy am Ohr geht Pistorius ein paar Mal den langen Flur auf und ab, bis er schließlich an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Immerhin ein paar Schritte hat der Verteidigungsminister noch gemacht. Wer weiß, wie lange er an diesem Abend noch am Verhandlungstisch sitzen wird.
Im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestags verhandeln seit Freitag 20 Vertreterinnen und Vertreter von Union und SPD. Sie sondieren, ob es etwas werden kann mit einer Regierung. Und dafür müssen sie zu Beginn die Frage klären, woher sie das viele Geld bekommen wollen, das sie brauchen werden für die Bundeswehr und die Infrastruktur.
Schon am Montag hatten Union und SPD darüber bis in die späten Abendstunden hinein gesprochen. An diesem Dienstag trafen sie sich gleich am frühen Morgen wieder. Bislang ohne Ergebnis. Dabei ist der Druck in der Nacht noch mal gestiegen. Er war schon nach dem Eklat zwischen Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus am vergangenen Freitag gewaltig. Nun hat die US-Administration angekündigt, ihre Ukraine-Hilfen aussetzen zu wollen. Europa muss jetzt schnell einspringen, da sind sich alle einig. Und auch zu Hause drängt die Zeit.
Diskutiert wird schon lange nicht mehr darüber, ob es mehr Geld braucht. Sondern nur noch darüber, wie viel es sein muss, wofür es genau ausgegeben werden darf – und wie es mobilisiert werden soll. Schon am Wochenende war bekannt geworden, dass Union und SPD vor allem über eine Idee von vier Ökonomen sprechen, zwei riesige Sondervermögen einzurichten.
Das schon weitgehend verbrauchte 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen Bundeswehr sollte um 400 Milliarden Euro aufgestockt werden, raten die Ökonomen. Daneben müsste es ein weiteres Sondervermögen für die Infrastruktur geben, das für Bund und Länder 400 oder sogar 500 Milliarden Euro mobilisieren soll.
Es wäre fast 1 Billion Euro, mehr als zwei Jahreshaushalte der Bundesrepublik Deutschland, eine gigantische Summe. Die Ökonomen beteuern, so viel brauche es realistischerweise. Ob es angesichts der gewaltigen Größenordnung wirklich so viel wird, darüber dürften Union und SPD aber wohl noch streiten.
Klar scheint zu sein, dass bei den Sondierungen inzwischen auch darüber gesprochen wird, zusätzlich kurzfristig ein Hilfspaket für die Ukraine über 3 Milliarden Euro freizugeben. Das Paket ist quasi versandbereit, das Außenministerium und das Verteidigungsministerium hatten es schon für die Ampelregierung geplant. Es enthält viel Luftverteidigung und auch Drohnen, alles Dinge, die die Ukraine jetzt dringend braucht. Nachdem die Ampel sich nicht mehr darauf einigen konnte, könnte es jetzt Teil eines Gesamtpakets werden.
Das Problem ist: Selbst wenn sich Union und SPD auf all das einigen, können sie es alleine nicht beschließen. Für die Sondervermögen bräuchte es eine Änderung des Grundgesetzes, und dafür ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig. Union und SPD haben die zusammen weder im alten Bundestag noch im neuen. Sie brauchen Unterstützung.
Der Plan der Sondierer scheint deshalb bislang zu sein, die Grünen von ihrem Vorhaben zu überzeugen und die Sache noch mit der Mehrheit des alten Bundestages zu beschließen. Das ist mindestens ambitioniert – und rechtlich heikel. Denn die Zeit ist extrem knapp.
Schon nächste Woche Freitag, am 14. März, wird das amtliche Endergebnis der Bundestagswahl verkündet. Danach, so heißt es in Berlin, wäre nur noch sehr schwer begründbar, warum man den alten und nicht den neuen Bundestag für so eine Entscheidung einberuft. Und in einer Woche das Grundgesetz zu ändern, ist nur in einem extremen Eilverfahren denkbar.