Wenn die Hauruckmethode angewendet wird, bleibt dies lange unangenehm in Erinnerung. In einem Internet-Chat über Weihnachtsbräuche berichtet eine junge Frau über ihre Erfahrungen als Kind: „Die Märchenwelt rund um Weihnachten ist mir wertvoll. Ich kann mich noch gut an meine Enttäuschung erinnern, als meine Grundschullehrerin mir die Augen öffnete. Von da an konnte ich sie nicht mehr besonders leiden.“
Eine Möglichkeit, die weihnachtliche Bescherungslegenden sanft auf den Boden der Tatsachen zu bringen, ist es beispielsweise zu erklären, dass Mama und Papa dem Christkind oder dem Weihnachtsmann helfen, damit diese bei ihrer Arbeit für die Kinder in aller Welt ein wenig entlastet werden. Wann genau solche Übergangswahrheiten angebracht sind, ist individuell verschieden und abhängig von der Reife des Kindes.
Wie viel Kopfzerbrechen Eltern der wahrheitsgemäße Umgang mit Weihnachtslegenden bereitet, kann man in den vielen Internet-Chats nachlesen. Da schreibt zum Beispiel eine Mutter: „Mein Großer (9) weiß seit einem Jahr, dass es das Christkind nicht gibt. Das hat er mir leise beim Zubettgehen erzählt. Aber er sagte direkt, dass er gerne weiter daran glauben würde. Auch wegen seinem kleinen Bruder. Ich fand das soooo süß von ihm.“
Eine andere Mutter wundert sich über ihren Spross: „Mein Sohn ist fast zwölf, geht aufs Gymnasium und glaubt ans Christkind!!!! Ich glaube, er weiß schon, wer ihm die Geschenke unter den Baum legt, aber er möchte sich seinen Weihnachtszauber einfach noch ein wenig bewahren. Ich kann ihn gut verstehen und lass‘ es auch so… Es hat doch auch was, wenn alles nicht immer so erklärbar ist.“
Dass viele Kinder, auch wenn sie schon älter sind und eigentlich bereits die Wahrheit kennen, oft bewusst an ihrem Weihnachtsglauben festhalten, beweisen die zahllosen Briefe und Wunschzettel, die alljährlich an das Christkind und den Weihnachtsmann geschrieben werden. In den deutschen Weihnachtspostämtern, die unter anderem in Himmelspfort, Christkinddorf oder Engelskirchen beheimatet sind, gehen alljährlich Hunderttausende Wunschzettel und Briefe ein, die alle beantwortet werden. Vorrausetzung für die Post: Sie muss – ganz altmodisch – handgeschrieben sein. SMS und E-Mails sind tabu, sonst wäre der Weihnachtszauber dahin.
Genau diesen Zauber bewahren sich viele bis ins Erwachsenenalter. Es gibt wohl kaum Erlebnisse in der Kindheit, die sich nachhaltiger einprägen als aufregende und verwunschene Weihnachtsfeste mit allen liebgewonnenen Ritualen – die dann immer wieder von der Eltern an ihre Kinder weiter gegeben werden und so auch als Spiegel der eigenen Kindheit weiter leben.