Der Höhenflug der Cyberwährungen zieht immer mehr unerfahrene Käufer an, doch die Risiken sind immens.
Nur noch 2.000 Dollar, dann hat der Bitcoin die magische Marke von 100.000 Dollar erreicht. Für die älteste Kryptowährung der Welt läuft es also derzeit blendend. Da ist jede gute Nachricht willkommen. So auch diese: Laut der „Financial Times“ will der designierte US-Präsident Donald Trump mit seinem Unternehmen die Krypto-Handelsplattform Bakkt Holdings übernehmen.
Wenn ein Politiker, noch dazu im höchsten Amt eines Landes, politische Entscheidungen trifft, von denen er selbst wirtschaftlich profitiert, gerät er in einen Interessenkonflikt, der nicht nur rechtliche, sondern auch ethische Fragen aufwirft. Kritische Berichterstattung? Fehlanzeige.
Stattdessen heißt es: Trumps Interesse an Kryptowährungen habe zu dem Optimismus beigetragen, dass Kryptowährungen nach seinem Amtsantritt eine hohe Priorität haben werden. Formuliert von Stéphane Ouellette, Chef der Handelsplattform FRNT in Toronto.
Es ist offensichtlich, aber niemand will es sehen: Die Krypto-Gesellschaft hat uns eine Falle gestellt und wir laufen sehenden Auges hinein.
Während eine Handvoll einflussreicher und superreicher Menschen Bitcoins sammelt, als seien es ein paar Glasmurmeln, üben die steigenden Kurse der Kryptowährung psychologischen Druck auf die Nachzügler aus, hohe Preise für etwas zu zahlen, von dem sie nicht einmal wissen, wie viel es wirklich wert ist.
Es handelt sich um das sogenannte Fomo-Syndrom. Fear of missing out – die Angst, etwas zu verpassen. Mit anderen Worten: Wer jetzt nicht dabei ist, wird es nie sein. Und tatsächlich scheint der Bitcoin-Kurs nur noch eine Richtung zu kennen: nach oben. Die 80.000 waren leicht zu knacken, die 90.000 gingen wie Butter und die 100.000 Dollar scheinen ein Kinderspiel zu sein. Und was kommt danach? 110.000? 120.000? Eine Million?
Einer, der auch Bitcoins sammelt, heißt Michael Saylor. Sein Unternehmen: Microstrategy. Microstrategy hat es sich zur Aufgabe gemacht, so viele Bitcoins wie möglich zu kaufen. Der Preis scheint dabei keine Rolle zu spielen. Erst kürzlich hat Firmenchef Saylor wieder zugeschlagen und 51.780 Bitcoins im Wert von 4,6 Milliarden Dollar gekauft.
Diese Transaktion katapultiert die Gesamtbestände des Unternehmens auf beeindruckende 331.200 Bitcoins. Das entspricht bereits jetzt einem Anteil von 1,58 Prozent aller Bitcoins, deren Menge laut Bitcoin-Protokoll auf 21 Millionen beschränkt ist.
Saylors Vision: Er will Bitcoin als strategische Reserve positionieren und damit ein Mittel gegen Inflation und Geldentwertung schaffen. Innerhalb der nächsten drei Monate will er für 42 Milliarden Dollar weitere Bitcoins kaufen, was nach aktuellem Kurs etwa 420.000 Bitcoins entspricht. Saylor scheint sich auf das Schlimmste vorzubereiten: Sein Verhalten erinnert an das eines sogenannten Preppers, eines Menschen, der sich auf den Weltuntergang vorbereitet und vorher versucht, alle Konservendosen aufzutreiben, die es gibt.
Saylors Käufe sollen über Kapitalerhöhungen seines börsennotierten Unternehmens sowie über Wandelanleihen auf dem Kapitalmarkt finanziert werden. Die jüngste Transaktion wurde mit Kapitalmarktanleihen in Höhe von 800 Millionen Dollar finanziert – Geld, das Microstrategy selbst nicht erwirtschaftet hat, sondern von Anlegern stammt.
Mit diesem Geschäftsmodell riskiert Saylor im schlimmsten Fall einen wirtschaftlichen Totalschaden. Sollte der Wert von Bitcoin ähnlich stark sinken wie nach dem ersten Hype im Jahr 2021, könnte die scheinbar unbesiegbare Cyberwährung für Microstrategy in eine Schuldenspirale münden. In diesem Szenario müsste Saylor Bitcoin unter Wert verkaufen, um seinen Gläubigern Zinsen und Anleihen zurückzuzahlen – oder Kredite aufnehmen, um seine Schulden zu begleichen.
Im schlimmsten Fall wäre das Unternehmen dem Untergang geweiht, Millionen Aktionäre und Anleihegläubiger würden ihr Geld verlieren – und am Ende müssten auch Bitcoin-Besitzer für das Geschäftsmodell eines Einzelnen bezahlen, der seine Gier nach immer mehr Reichtum nicht zügeln kann.
Der renommierte Bitcoin-Kritiker Peter Schiff, Chefökonom und globaler Stratege der Vermögensverwaltungsfirma Euro Pacific Asset Management, ist einer der wenigen, der von Saylors Geschäftsmodell nicht viel hält. Bei diesem Tempo, in dem Saylor ständig neue Bitcoins zu immer höheren Preisen kaufe, müsste der Plan in weniger als vier Monaten abgeschlossen sein. „Dann braucht Saylor einen größeren Plan“, erklärte Schiff sarkastisch.
Ein größerer Plan als drei Prozent aller Bitcoins zu besitzen, wäre zum Beispiel, zehn Prozent aller Bitcoins zu besitzen. Und was kommt danach? Das Verhalten von Saylor erinnert stark an das Märchen vom Fischer und seiner Frau. Erst möchte sie in einem Haus, dann in einem Schloss wohnen und später König, Kaiser und Papst werden. Die Wünsche werden vom Fisch sofort erfüllt. Erst als die Frau des Fischers verlangt, wie der liebe Gott zu werden, landet sie am Ende wieder dort, wo sie am Anfang war – in einer kleinen Hütte, dem „Pissputt“.