Hier ist kein Platz für Fehler: Im Tower behalten Fluglotsen wie Christian Schwab im Notfall die Nerven. Ein Blick hinter die Kulissen, hoch oben über Nürnbergs Flughafen.
Lange bevor es am Horizont auftaucht, hat er das Flugzeug längst im Blick: Christian Schwab lotst vom Nürnberger Tower aus Maschinen jeder Größe sicher auf den Boden – vom Rettungshubschrauber bis zum Militärtransporter. Einblicke in einen Beruf, der Ruhe verlangt, wenn es brenzlig wird. Und bei dem es manchmal auch um Todesangst geht.
Ein silberner Punkt taucht am Horizont auf. Christian Schwab sieht ihn als Erster. „Da hinten, da sieht man sie schon“, sagt er ruhig und hebt den Arm. Das Flugzeug ist noch 20 Kilometer entfernt, irgendwo über Erlangen, aber für einen erfahrenen Fluglotsen ist es längst sichtbar. In der Kanzel des Nürnberger Towers am Albrecht-Dürer-Airport beginnt jetzt das, was für Schwab Alltag ist: Luftraum überblicken, koordinieren, kommunizieren.
Die Stimme über Funk spricht Englisch, knapp, rauschend: Der Pilot bittet um Landeerlaubnis. Die Antwort übernimmt diesmal der Azubi, der auch zu Schwabs Team gehört und erste praktische Aufgaben übernimmt. Der Fluglotse in Ausbildung antwortet – für den Laien ein Kauderwelsch aus Buchstaben und Zahlen. Schwab hört mit, kontrolliert den Anflug auf dem Radar. Die Zahlen, Linien, Blöcke auf dem Bildschirm ergeben für ihn ein Muster. „Das sind Wetterdaten, Windrichtung, Sichtweite“, erklärt er im exklusiven Gespräch mit t-online.
Der Flugverkehr ist gerade ruhig. Kein Rettungshubschrauber, kein Ambulanzflieger in Sicht, die Vorrang beim Landen hätten. Der Hubschrauber der DLRG ist gerade gelandet, steht schon in seiner Parkposition. „Hier ist es nie langweilig“, sagt Schwab dennoch.
Was er meint, wird klar, als das Flugzeug näherkommt. Jetzt nur noch 15 Kilometer entfernt. Unten am Zaun sammeln sich Planespotter. Die Kameras klicken. Ein Airbus A400M der Luftwaffe schiebt sich über das Knoblauchsland, eine Propellermaschine von imposanter Größe. „Man weiß nie, was auf einen zukommt“, präzisiert der 35-Jährige. „Immer ein bisschen Standard, immer ein bisschen Special.“ Es sei die Mischung, die er hier am mittelgroßen Flughafen in Nürnberg so schätze. Kein Taktverkehr wie an den großen, wo alle zwei Minuten ein Ferienflieger landet.
Im Tower in 48 Meter Höhe sitzen die vier jungen Männer mit Headset und abwechselndem Blick nach draußen oder auf einen der vielen, vielen Bildschirme. Ein Kollege gibt dem Azubi Feedback. Schwab selbst war 2010 an der Akademie in Langen. Heute ist er Supervisor, ausgebildeter Fluglotse seit 2012, zuständig für den reibungslosen Betrieb im Nürnberger Tower. Er kennt jede Stelle im Luftraum. Und auch jede Geschichte.
Eine ist besonders hängen geblieben: „Ein Pilot mit defektem Fahrwerk. Der wollte eigentlich woanders landen, hat sich dann aber bei uns gemeldet. Drei Tiefflüge am Tower vorbei, damit wir schauen konnten, ob das Fahrwerk rauskommt.“ Tat es nicht. Sie haben den Luftraum geräumt, Feuerwehr alarmiert, Notlandung. Er ist auf dem Bauch gerutscht. „Zum Glück ging alles gut.“

„Deshalb brauchen wir Teamplayer“, so Schwab weiter. „Hier kann man sich keine Egos leisten.“ Sie arbeiten eng, manchmal jahrzehntelang, miteinander. „Jeder muss sich auf jeden blind verlassen können.“ Im Tower sind insgesamt etwa 30 Menschen beschäftigt, von der Verwaltung bis zur Technik. Die Fluktuation sei „nahe null“. Und auch das zeichnet den Job aus: Stabilität in einem System, das jederzeit gefordert sein kann.
Markus Bembenek verfolgt das Geschehen mit. Er ist Towerchef und ergänzt: „Was wir hier machen, ist hoch sicherheitsrelevant.“ Nicht immer ist die Sicht so klar wie an diesem Tag. Es gibt Sturm, Nebel, Triebwerksausfälle, medizinische Notfälle oder aggressive Passagiere. In solchen Momenten zählt jede Sekunde, manchmal geht es sogar um Todesangst. Erst vor ein paar Monaten erlebte er einen Absturz in Stuttgart mit – auch dort ist er zuständig. Dem Piloten eines Leichtflugzeugs war wegen schlechter Sicht die Landung missglückt. Die Folge: zwei Verletzte, einer schwer. „Auch das gehört dazu. Das ist unser Job.“ Schwab nickt zustimmend.