Shitstorm, offener Brief, Skandalakte: Bisher hat Thilo Mischke noch keine einzige Minute für die ARD moderiert, aber schon viel Wirbel produziert. Wieso eigentlich?
Die Zeilen aus seinem Buch sind schon 15 Jahre alt. Doch es vergeht derzeit kein Tag, an dem nicht über die Vergangenheit von Thilo Mischke geurteilt wird. Seine Kritiker zerlegen sein Frühwerk „In 80 Frauen um die Welt“ aus dem Jahr 2010 in seine Einzelteile. Mischke vermittle darin ein sexistisches Frauenbild und verwende teilweise rassistische Sprache, so lauten die Vorwürfe.
Seitdem der 43-Jährige im Dezember von der ARD als neuer Moderator der Kultursendung „ttt – Titel, Thesen, Temperamente“ vorgestellt wurde, weht ein Sturm der Entrüstung durch die sozialen Medien.
Die Redaktion hat sich bereits dazu geäußert. „Wir, die Redaktion von ‚ttt‘, haben ihn selbst hierzu befragt. Mischke distanziert sich bis heute vom Titel und Inhalt des Buches und hat den Druck einer Neuauflage untersagt“, hieß es. Die Redaktion bat um Zeit und schrieb auf Instagram: „Wir wollen das Thema aufarbeiten und uns gründlich mit den geäußerten Sorgen auseinandersetzen.“
Inzwischen ist dieses Posting anderthalb Wochen alt – und dennoch ebbt die Kritik an Mischke nicht ab, im Gegenteil. Am Donnerstag machte der „Tagesspiegel“ einen offenen Brief publik, in dem sich mehr als 100 Kulturschaffende gegen das Engagement von Thilo Mischke bei „ttt“ aussprechen. Alena Schröder, Saša Stanišić, Jan Brandt, Ulrike Draesner, Margarete Stokowski und Till Raether gehören zu den Unterzeichnern.
Man sei „bestürzt über diese Personalentscheidung der ARD, mit der die Kultursendung ‚ttt – titel thesen temperamente‘ nachhaltig beschädigt wird“, heißt es unter anderem in dem Brief. Mehr dazu lesen Sie hier.
Erstaunlich ist, mit welcher Vehemenz und Akribie im Fall Mischke verfahren wird. Der offene Brief ist dafür nur das jüngste Beispiel. So wurde am 22. Dezember ein Online-Dokument erstellt, auf das jeder Mensch mit Internetverbindung freien Zugriff hat. Titel: „Mischke Shownotes“. Die öffentlich einsehbare Skandalakte wird seitdem regelmäßig mit neuen Belegen gefüttert, welche Verfehlungen sich der Moderator in der Vergangenheit zuschulden kommen ließ. Das Dokument umfasst inzwischen 14 Seiten.
Es finden sich darin Sätze aus seinem Buch „In 80 Frauen um die Welt“: „Ich wollte Fingerabdrücke nehmen, heimlich Nacktfotos machen, Tonbandaufnahmen vom jeweiligen Sex.“ Oder Zeilen wie diese: „Ich stelle mir vor, wie ich diese arrogante Frau über einen Küchentisch werfe. […] Ich bin betrunken, schon wieder. Die Arroganz der Münchnerin ist so schwerwiegend, dass ich ihr gerne eine scheuern würde. Ich frage mich, woher meine Aggressionen kommen.“
Das Buch ist aber nicht der einzige Punkt, an dem sich die Kritik aufhängt. In dem Dokument finden sich auch Zeilen von Mischke, die er in einer Kolumne mit dem Titel „Fikipedia“ verfasst hat. Da reicht dann schon das Thema „W wie weibliche Ejakulation“ und ein Text über Orgasmen, um auf dem neuen Online-Pranger Mischkes zu landen. Es werden auch Aussagen aus seinem Podcast „Uncovered“ erwähnt.
Dort stellte Thilo Mischke im Jahr 2019 die These auf, dass der Urmensch ausgestorben sei, weil er zu wenig übergriffig gewesen sei. „Der Urmensch ist ausgestorben, weil er nicht reden kann und vielleicht zu zärtlich ist zu den Frauen und sie nicht vergewaltigt und der Homo homo sapiens hat eben überlebt, weil er anfänglich in seiner Gesellschaft vergewaltigt“, referiert Mischke dort.
Gemeinsam mit der Autorin Carolin Rosales kommt er außerdem zu dem Schluss, dass Frauen ausgestorben seien, die nicht die Fähigkeit hatten, beim Geschlechtsverkehr feucht zu werden. „Weil so Sexualität funktioniert hat. Frauen wurden hart wegvergewaltigt in der Urmenschenzeit und überlebt haben die, die den Gendefekt hatten ‚Meine Vagina wird feucht‘, weil sie eben keine inneren Verletzungen beim Geschlechtsverkehr bekommen haben.“