Anlässlich ihres 70. Geburtstags resümiert Ex-CSU-Chef Horst Seehofer die Kanzlerschaft von Angela Merkel. Er fordert die Altkanzlerin zur Selbstkritik auf.
In einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ blickt Horst Seehofer auf seine gemeinsame Zeit mit Angela Merkel zurück – und wird in Bezug auf ihre Migrationspolitik kritisch. „Ich finde, dass Angela Merkel sich keinen Zacken aus der Krone brechen würde, wenn sie mal erklärt: In der Migrationsfrage habe ich nicht jeden Tag richtig gelegen.“
Mit Blick auf die kommende Autobiografie von Angela Merkel erwägt Seehofer sogar eine längere Gegendarstellung: „Wenn sie die Dinge da falsch darstellt, müsste ich doch noch ein Buch schreiben.“
Dann führt er noch einmal seine Sicht der Dinge aus – mit der Absicht, es sich aus heutiger Perspektive nicht zu einfach zu machen: „In der Migrationspolitik lagen allerdings damals schon alle Argumente auf dem Tisch, die wir heute kennen.“ Seehofer fügt hinzu: „Ich bin aber für das richtige Maß eingetreten, mit Blick auf Wohnungen, auf Integration, auf Kriminalität, auf Bildung.“
Wie er betont, habe er nie „für eine Abschottung plädiert“. Auch trotz des neuen Kurses der Ampelregierung in puncto Migration habe Seehofer „keine Triumphgefühle, dass jetzt sehr viel von dem getan wird, was ich schon vor Jahren gefordert habe – und dafür von einigen sogar als Rechtsextremist beschimpft wurde. Genugtuung nach innen, die habe ich aber schon.“
Verbunden mit dem Erstarken der AfD wird Seehofer in seiner Kritik noch einmal besonders deutlich – denn er sieht hierfür eine klare Mitschuld bei Merkel: „Eine der schlimmsten Folgen von Merkels Kurs ist das gefährliche Aufblühen der AfD.“
Ganz anders als auf Angela Merkel blickt Horst Seehofer auf den aktuellen Parteichef der CDU: „Der Merz versteht sein Handwerk“. Ausdrücklich lobt der Ex-CSU-Chef die Entscheidung, Merz zum Kanzlerkandidaten zu machen. „Nachdem er in der Bundespressekonferenz seinen Vorstoß zur Migrationspolitik gemacht hat, habe ich ihn angerufen und nur gesagt: ‚Friedrich, so führt man ein Land.'“
Seehofer erklärt: „Mit Merkel habe ich überhaupt keinen Kontakt mehr.“ Der Schlusspunkt war ein Abschiedsessen mit dem gesamten Kabinett und die Übergabe an seine Nachfolgerin. „Dann bin ich im Auto nach Hause gefahren. Das war’s.“ Bei der von der CDU veranstalteten Feier zum 70. Geburtstag Angela Merkels sind fast 200 Gäste eingeladen – er ist aber nicht dabei.
Angela Merkel und Horst Seehofer waren für zehn Jahre gleichzeitig die Parteivorsitzenden der beiden Schwesterparteien CDU und CSU. Außerdem hatte Seehofer in Merkels letztem Kabinett den Posten des Bundesinnenministers inne. Unter der Führung der beiden Parteichefs kam es zu einer schweren Krise zwischen CDU und CSU. Hauptstreitpunkt war dabei die Flüchtlingspolitik.