Horst Seehofer, der ehemalige CSU-Chef, übt scharfe Kritik an seinem Nachfolger Markus Söder. Zwei Politikexperten sehen darin eine gezielte Retourkutsche zum perfekten Zeitpunkt.
Dass sich Horst Seehofer und sein Nachfolger, der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (beide CSU), persönlich seit Langem nicht besonders grün sind, ist im politischen München und Berlin kein Geheimnis. Nun hat Seehofer vergangene Woche in einem Interview mit dem Deutschlandfunk abermals nachgelegt. Er kritisierte Söders Verhalten im Bundestagswahlkampf scharf, insbesondere dessen radikale rhetorische Abgrenzung von den Grünen.
Der CSU-Grande sagte in dem Interview, er halte nichts davon, einen möglichen demokratischen Koalitionspartner wie die Grünen zu bekämpfen, indem man sie „diskreditiere, diffamiere oder als Teil der schwächsten Regierung aller Zeiten“ einstufe.
Söder hatte die Grünen im Wahlkampf wiederholt als „Feinde“ und „linke Ideologen“ bezeichnet. Zudem hatte er ihnen vorgeworfen, Bayern systematisch zu benachteiligen. In einer Rede am politischen Aschermittwoch hatte er es zudem als CSU-Erfolg gefeiert, dass die Grünen nicht an der neuen Bundesregierung beteiligt werden. Den scheidenden grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck bedachte er damals mit den Worten „Goodbye, gute Reise, auf Nimmerwiedersehen“.
Die Äußerungen des amtierenden CSU-Vorsitzenden fielen teilweise mit der Veröffentlichung der geplanten Reformvorhaben zusammen – bei denen man zur Änderung des Grundgesetzes auf die Stimmen der Grünen angewiesen war. Söder, so Seehofers Vorwurf, hätte sowohl im Wahlkampf als auch nach der Wahl sehen müssen, wie problematisch sein aggressives öffentliches Auftreten werden könnte.
Seehofer bezeichnete das Verhalten seines Nachfolgers in diesem Zusammenhang als „historischen Fehler“. Nun konnte für die geplanten Reformvorhaben doch noch eine Einigung mit den Grünen gefunden werden, die Grundgesetzänderungen über die Lockerung der Schuldenbremse und der milliardenschweren Sondervermögen sind inzwischen verabschiedet.
Gleichwohl laufen die Koalitionsverhandlungen, bei denen Markus Söder für die CSU federführend die Gespräche führt. Die Fragen, die sich aufdrängen: Warum meldet sich der Seehofer denn genau jetzt? Will er etwa Söders Position in den Verhandlungen schwächen?
Einer, der die Partei seit Langem kennt und auch selbst Mitglied ist, sieht in den Äußerungen Seehofers eine gelungene Retourkutsche.
Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter sagt im Gespräch mit t-online: „Der Zeitpunkt ist doch schön. Söder hat damals den Seehofer demontiert, beschädigt, belästigt und beleidigt, während er in Berlin in Koalitionsverhandlungen eingetaucht war und sozusagen auf der landespolitischen Ebene mehr oder weniger abgetaucht ist.“
Mit dieser Äußerung spielt Oberreuter auf die Jahre an, in denen Horst Seehofer noch der CSU-Vorsitzende war und seinen Posten – mutmaßlich durch Sticheleien von Markus Söder demontiert – 2019 an ihn abgeben musste.
Seinem ehemaligen Kontrahenten jetzt eins auszuwischen, während dieser wiederum in Berlin durch Koalitionsverhandlungen in Beschlag genommen werde, entspreche einem „wunderbaren Racheakt“, so Oberreuter.

Prof. Dr. Heinrich Oberreuter war bis 2011 Direktor der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Zuvor war er dreißig Jahre Ordinarius für Politikwissenschaft an der Universität Passau, wo er den Lehrstuhl für Politikwissenschaft I innehatte. Seit 2012 leitet er das Projekt „Staatslexikon“ der Görres-Gesellschaft.
Die Äußerungen Seehofers kämen wie bereits angedeutet nicht von ungefähr. Das Verhältnis zwischen den beiden sei bereits massiv vorbelastet. Der Streit rühre daher, dass Söder schon zu Seehofers Zeiten als CSU-Vorsitzender bereits ein Auge auf den Chefposten geworfen hatte. Er sei damals „nicht vor Hintergrundgesprächen und Intrigen zurückgeschreckt“, erklärt der Politikwissenschaftler.
In diesem Kontext äußerte Seehofer 2012 am Rande einer CSU-Weihnachtsfeier den Vorwurf, dass Söder „nicht vor Schmutzeleien zurückschrecke“. Dabei kritisierte er Söder auch für „charakterliche Schwächen“ und bezeichnete ihn als „vom Ehrgeiz zerfressen“.
Letztlich, so Oberreuter, habe Söder Seehofer aus dem Amt gedrängt, weswegen dieser 2018 als Innenminister weg aus Bayern und nach Berlin gegangen sei. Markus Söder wurde 2019 mit 87,4 Prozent der Stimmen zum CSU-Vorsitzenden gewählt und damit zu Seehofers Nachfolger.
