Die Klimastiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern tätigte für den Bau von Nord Stream 2 millionenschwere Geschäfte. Nun stellt sich heraus: Das russische Geld landete auch im Umfeld einer weithin gefürchteten Familie.
Als usbekische Soldaten am 13. Mai 2005 das Feuer auf Demonstranten in der Stadt Andischan eröffnen, werfen sich die Menschen zu Boden, verstecken sich in Abflusskanälen. Wahllos feuert das Militär in die Menge, auf Männer, Frauen und Kinder. Schätzungen zufolge sterben bis zu 1.500 Menschen, viele weitere werden verletzt. Das brutale Regime von Islam Karimov, das aus alten Sowjetkadern und Geheimdienstlern besteht, sichert so sein Fortbestehen. Gerettet wird es in diesen Tagen wohl maßgeblich vom gefürchtetsten Mann Usbekistans: dem Geheimdienstchef Rustam Inoyatov, der die Zivilbevölkerung mit seinem Folterapparat unterdrückt.
Der Königsmacher und sein Sohn
Er wird für viele Jahre nach dem Massaker die „graue Eminenz“ Usbekistans bleiben, der Königsmacher, ohne dessen Unterstützung die Politik nichts zu melden hat. Und auch nach seiner Abberufung im Jahr 2018 bleibt er im Dunstkreis der Macht – offiziell zunächst bis November 2021 als Präsidentenberater. Im Hintergrund hat sich sein Sohn Sharif da aber längst ein Unternehmensimperium errichtet, das bis nach Russland und Europa reicht. Gemeinsam mit dem russischen Staatskonzern Gazprom, usbekischen und russischen Oligarchen hat sich die Familie ihren Anteil an der Ausbeutung der staatlichen Gas- und Ölfelder gesichert.
Und es ist Inoyatovs Geheimdienst-Clan, der Recherchen von t-online zufolge nun Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) in Erklärungsnot bringt.
Ihre Landesregierung hatte Anfang 2021 eine Klima- und Umweltstiftung gegründet, um den Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 abzuschließen. Ihr wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vergab millionenschwere Aufträge an beteiligte Unternehmen, um sie vor US-Sanktionen zu schützen. Über die Stiftung wachte Schwesigs politischer Ziehvater, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Das Geld dafür stellte Gazprom bereit. An wen es überwiesen wurde, blieb lange geheim.
„Diese Unternehmen haben sich nichts vorzuwerfen. Sie haben rechtmäßig gehandelt. Und sie haben Landtag und Landesregierung vertraut, die einen Schutzschirm gegen die US-Sanktionen versprochen haben“, sagte Sellering.
Inoyatovs Partner und die Stiftung
Nun belegen die t-online vorliegende Auftragsliste, zugehörige Vertragsdokumente und Registerunterlagen: Die Klimastiftung überwies für Nord Stream 2 Millionenbeträge ins direkte Geschäftsumfeld des Inoyatov-Clans. Unter den Auftragsempfängern war ein Unternehmen in Russland, das von einem engen Geschäftspartner seines Sohns Sharif Inoyatov kontrolliert wird. Das Unternehmen sitzt in Moskau und im nordkaukasischen Stawropol. Über Inoyatovs Partner führen Spuren bis zu einem Netzwerk, das die Gas- und Ölreserven Usbekistans in der Hand hat – und in eine thüringische Kleinstadt.
Dort sitzt der deutsche Staatsbürger Johann S. seit 2015 als Geschäftsführer einer unscheinbar anmutenden, aber bemerkenswert vielseitigen GmbH vor: Sie kann laut Gesellschaftsvertrag Zeitarbeitskräfte vermitteln, Immobiliengeschäfte tätigen, mit Lebensmitteln und Möbeln handeln, Unternehmen beraten und sogar sozialpädagogische Leistungen für minderjährige Flüchtlinge anbieten. Im Ort dürfte kaum jemand etwas von den hochrangigen Verbindungen des Firmenchefs nach Russland und Usbekistan ahnen.
Denn S. bewegt sich in Thüringen zumindest dem Anschein nach außerhalb seines eigentlichen Geschäftsfelds: Zumindest zeitweilig war er als Generaldirektor für einen russischen Ableger des internationalen Pipeline-Dienstleisters Baker Hughes tätig. Zeitgleich entwickelte er im gleichen Sektor rege Geschäftstätigkeiten in Russland und Usbekistan. Damals gründete er die Unternehmensgruppe GC Service and Industrial Assets LLC (GC SIA), die schließlich beim Bau von Nord Stream 2 für die Klimastiftung tätig wurde, zuvor aber auch bei anderen Pipeline-Projekten in Russland mit Aufträgen bedacht worden war.
Geschäfte in Russland und Usbekistan
In Russland ist S. ein engagierter Investor, wie aus Unternehmensdatenbanken hervorgeht: Er investierte neben der GC SIA nicht nur in weitere Unternehmen mit Öl- und Gasbezug, sondern auch in die Fischerei, noch immer hält er Anteile an einem Café in Stawropol und der landesweiten Burger-Kette Black Star, die vom in Russland berühmten Rapper Timati gegründet wurde. Dessen gute Kontakte zum Kreml und zum tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow sind offenkundig. Besonders bemerkenswert sind allerdings die Geschäftsbeziehungen von S. zu Sharif Inoyatov.