Milliarden auf Pump: Schwarz-Rot macht das, was die SPD schon seit Langem fordert. Bald-Kanzler Merz muss aufpassen, dass ihn die Sozialdemokraten nicht über den Tisch ziehen.
Ausgerechnet Mario Draghi musste Modell stehen. Der Italiener, der ob seiner jüngsten Forderungen nach Milliardeninvestitionen in der EU zum Kronzeugen der Subventionspolitik von SPD und Grünen wurde – und der 2012 als Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) die Worte wählte, die sich nun auch Friedrich Merz zu eigen machte:
„Whatever it takes“, was immer es brauche, werde die EZB tun, um den Euro zu retten, sagte Draghi damals. „Whatever it takes“, das gelte nun auch für die Rüstungsausgaben, so Merz heute.
Es ist ein für die Bundespolitik beispielloses Vorgehen, und das nicht nur wegen der Summen, um die es jetzt geht: 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur, faktisch unendliche Ausgaben auf Pump für die Bundeswehr. Schwindelig wird einem ob solch großer Beträge, nie zuvor ging’s auf einen Schlag um so viel Geld.
Fast noch schwerer aber wiegt die politische Dimension dessen, was Schwarz-Rot jetzt angekündigt hat: Wohl zu keinem Zeitpunkt konnte der kleinere Koalitionspartner mit seinen Vorstellungen so sehr die Agenda der Regierung bestimmen – obwohl es die noch gar nicht gibt.
Schulden machen, um mittels gezielter Staatsausgaben die Wirtschaft anzukurbeln, das wollten eigentlich immer nur die Sozialdemokraten. Die Union und Merz dagegen pochten noch vor zwei Wochen darauf, erst einmal zu sparen, um dann mittels Steuersenkungen für alle Unternehmen die Konjunktur zu beleben.
Merz vollzieht damit nicht weniger als eine 180-Grad-Wende. Das Erste, was seine Koalition in spe auf den Weg bringt, ist nicht „CDU pur“, wie es sein Generalsekretär Carsten Linnemann immer wieder forderte. Es ist SPD pur, und zwar im Quadrat. Olaf Scholz ist zwar weg, doch die Politik der baldigen Merz-Regierung bestimmen die Sozialdemokraten trotzdem weiter.
Mit Blick auf die Militär-Milliarden mag der Bald-Kanzler diese Feststellung wohl verkraften. Die Bundeswehr mit allem auszustatten, was sie braucht, ist im Lichte eines drohenden Ausfalls der USA als Schutzmacht für Europa sinnvoll und richtig.
Tatsächlich hat sich die Weltlage binnen Tagen so grundlegend verändert, dass es an Schritten bedarf, die sich so nach eigener Aussage auch CSU-Chef Markus Söder nicht hat vorstellen können. Und angesichts der russischen Aggression ist es auch schlau, die genaue Summe offenzulassen, die potenziell in die Bundeswehr fließen könnte. In einem möglichen Wettrüsten zur Abschreckung bleibt Deutschland so flexibel und für Putin nicht berechenbar.
Weniger schlau – zumindest politisch – mutet derweil aber der zweite Teil der Vereinbarung an: die jährlich 50 Milliarden Euro, die Union und SPD per Sondervermögen für die Modernisierung der Infrastruktur bereitstellen wollen. Natürlich braucht es auch dieses Geld, immer wieder haben Ökonomen ähnliche Summen ausgerechnet.
Nur: Muss es wirklich ein Sondervermögen in dieser Höhe sein? Hätte man sich nicht auch auf einen anderen Weg einigen können, etwa Kooperationsprojekte der öffentlichen Hand mit dem Privatsektor, sogenannte Public-Private-Partnerships?
Hier muss sich Merz durchaus fragen lassen, ob ihn die SPD-Chefs Lars Klingbeil und Saskia Esken nicht schon vor Eintritt in anstehende Koalitionsgespräche über den Tisch gezogen haben. Die Antwort gibt es wohl erst in ein paar Wochen, wenn der Koalitionsvertrag steht.
Merz muss jetzt beweisen, dass er an anderer Stelle auch Dinge herausschlägt, die der Union wichtig sind und für die sie gewählt wurde. Eine konsequente Begrenzung der Migration, Steuersenkungen, eine Bürgergeld-Reform und eine überzeugende Sparpolitik, die zeigt, dass die Regierung nicht nur bereit ist, Geld auszugeben, sondern auch an teils schmerzhaften Stellen Subventionen streicht: Diese Dinge sind – „whatever it takes“ – von ähnlicher großer Bedeutung für Deutschland und die Deutschen.