Abgeschiedenheit pur
Diese Urlaubsregion ist (noch) ein Geheimtipp
Aktualisiert am 04.01.2025 – 14:31 UhrLesedauer: 4 Min.
Dem Massentourismus entfliehen, mal nur die Natur genießen und abschalten. Das ist im Nordwesten möglich. Hier schlummert eine (fast) vergessene Region.
Waren Sie schon mal in Roomelse, Seedelsbierich, Skäddel oder Strukelje? Nie gehört? Das muss Sie nicht wundern, denn so heißen die vier Orte auf Saterfriesisch.
Eine Sprache, die von weniger als 2.000 Menschen gesprochen wird, in einer kleinen Sprachinsel im Moor im Nordwesten Deutschlands. Auf Hochdeutsch heißen die Orte Ramsloh, Sedelsberg, Scharrel und Strücklingen. Sie bilden die Gemeinde Saterland mit 14.000 Einwohnern im äußersten Zipfel des Oldenburger Münsterlands. Saterland liegt rund 30 Kilometer östlich von Papenburg, wo die großen Kreuzfahrtschiffe gebaut werden.
Saterfriesisch gilt heute als die kleinste Sprachminderheit in Deutschland, möglicherweise in Europa. Das haben sie schriftlich, durch den Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde im Jahr 1991.
Wie die Sprache kam – und fast wieder verschwand
Aber die Historie ist natürlich viel länger: „Gehen wir viele Jahrhunderte zurück“, ermuntert Henk Wolf, den wir im Saterländer Rathaus treffen. Der Linguist ist wissenschaftlicher Beauftragter für Saterfriesisch und kennt die Geschichte des Landstrichs.
Ab etwa 1277 übersiedelten Menschen, die durch Sturmfluten heimatlos geworden waren, von der Nordseeküste auf die höher gelegene Sandinsel und brachten ihre friesische Sprache mit, erzählt er. Auf dem rund 20 Kilometer langen und bis zu vier Kilometer breiten Geestrücken waren die Siedler geschützt, doch abgeschnitten von der übrigen Welt – links das weite Westermoor, zur rechten Seite das Ostermoor.
Noch bis ins 19. Jahrhundert waren die Siedlungen im Saterland nur mit kleinen Booten über das Flüsschen Sagter Ems erreichbar. Durch diese Abgeschiedenheit blieb die saterfriesische Sprache erhalten. „Ab den 1950er Jahren wurde die Sprache zurückgedrängt“, so Wolf. Kinder wuchsen überwiegend nicht mehr muttersprachlich mit dem Saterfriesischen auf. Wer etwas auf sich hielt, redete Hochdeutsch.
Dabei ist Saterfriesisch der letzte überlebende Bestandteil der ursprünglichen Ostfriesen-Sprache. „Was die Feriengäste heute in der Region zwischen Aurich und Emden, Leer und Wittmund bei Einheimischen hören, gilt als niedersächsischer Dialekt mit friesischen Sprachanteilen“, erklärt Menno Ehme Aden, der aus Leer kommt und das Buch „Über die friesische Sprache“ geschrieben hat.
Im Saterland kam laut Linguist Henk Wolf ab dem Jahr 2000 die Wende. Vermehrt wollten junge Saterländer wieder so sprechen wie Oma und Opa. Seit 2010 werden um die 400 Schülerinnen und Schüler wieder in der Sprache ihrer Heimat unterrichtet. Überdies treffen sich Alt und Jung zu Konversationskursen mit Wolf und der pensionierten Lehrerin Johanna Evers vom rührigen Heimatverein Seelter Buund.
Urlauber im Saterland konnten einst bei launigen Sprachkursen das Diplom Seelter Tjuuchnis (Saterländer Zeugnis) erwerben. Doch dann kam die Pandemie und der Spaß hatte ein Ende.
Fremden erschließt sich das platte, weite Land abseits aller Touristenmassen erst auf den zweiten Blick; die Ruhe unter dem hohen Wolkenhimmel entschleunigt. „Slow travel“, sagen sie dazu anderenorts. Die Annäherung ans Saterland gelingt am besten bei einer Fahrradtour über die Moorerlebnisroute. 100 Kilometer lang ist die gut gekennzeichnete Rundstrecke.
„Zwei oder besser drei Tage sollte man sich dafür Zeit nehmen“, rät Gästeguide Hans Bunger. Proviant und Getränke hat man besser genügend dabei, denn in den Dörfern gibt es nur wenige Gaststätten. Bäckereien haben zur Mittagszeit geschlossen.