Ein Kribbeln oder Brennen in Zehen oder Füßen kann auf eine Polyneuropathie hindeuten. Welche Symptome noch typisch sind und welche Behandlung hilft.
Polyneuropathie betrifft in Deutschland etwa fünf bis acht von hundert Erwachsenen. Die meist chronische Nervenerkrankung tritt überwiegend ab einem Alter von etwa 65 Jahren auf. Vergleichsweise häufig erkranken vor allem Menschen mit Diabetes daran.
Polyneuropathie ist eine Nervenerkrankung, bei der Schäden an den peripheren Nerven entstehen. Das sind all jene Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegen und den Körper durchziehen.
Bei einer Polyneuropathie funktionieren vor allem die Nervenfasern der Beine nicht richtig und können dadurch Missempfindungen, Schmerzen und anderen Beschwerden auslösen. Eher selten sind auch Arme oder innere Organe von Polyneuropathie betroffen.
Bei einer Polyneuropathie können verschiedene Symptome auftreten. Je nach betroffener Art der Nervenfasern beeinträchtigen die Schäden zum Beispiel über die Haut wahrgenommene Sinnesreize oder die Bewegung von Muskeln. In manchen Fällen stören sie auch die Funktion von inneren Organen und wirken sich zum Beispiel auf den Blutdruck, die Verdauung oder die Blase aus. Am häufigsten sind jedoch sensorische Nervenfasern betroffen und dadurch die Wahrnehmung von Reizen über die Haut.
In den meisten Fällen zeigen sich die Symptome einer Polyneuropathie in den Beinen und beginnen dort in der Regel im Fuß beziehungsweise in den Zehen. Eher selten sind die Arme beziehungsweise Hände von der Erkrankung betroffen. Die Beschwerden treten normalerweise symmetrisch auf, also an beiden Beinen gleichermaßen.
Typisch für eine Polyneuropathie sind dabei Symptome wie Missempfindungen. Das kann sich zum Beispiel als kribbelndes „Ameisenlaufen“ in den Beinen äußern oder auch in Form eines pelzigen Gefühls auf der Haut. Etwa in der Hälfte aller Fälle treten Schmerzen auf.
Häufig ist die Gefühlswahrnehmung der Haut verändert, wodurch etwa heiß und kalt nicht korrekt spürbar sind. Meist werden solche Temperaturreize schwächer empfunden – oder gar nicht. Dadurch steigt die Gefahr, sich zu verletzen.
Mögliche Symptome bei einer Polyneuropathie sind unter anderem:
- kribbelndes, pelziges oder taubes Gefühl in den Beinen, das von den Füßen allmählich aufsteigt
- scharfe, stechende, pochende, elektrisierende oder brennende Schmerzen (wie brennende Füße)
- Kälte- oder Wärmegefühl
- abgeschwächte Wahrnehmung von Temperaturreizen wie Hitze oder Kälte
- juckendes Gefühl
- wattiges Gefühl beim Gehen
- Gefühl von Schwellung bei fehlender sichtbarer Schwellung
- starke Berührungsempfindlichkeit
- Schmerzreaktion auf Dinge, die normalerweise keine Schmerzen hervorrufen, wie etwa das Gewicht einer Decke, die auf den Füßen liegt
- Gefühl von Einschnürung (meist an den Füßen), als würde man zu enge Socken tragen
- Wadenkrämpfe (vor allem nachts)
- Muskelzuckungen, Muskelschwäche
- unruhige Beine, vor allem nachts und in Ruhe (Restless-Legs-Syndrom)
Sonderform autonome Polyneuropathie
In den meisten Fällen betrifft eine Polyneuropathie die Nervenfasern der Beine (und Arme). Bei einer Sonderform der Erkrankung, der sogenannten autonomen Polyneuropathie, ist jedoch auch das autonome (= vegetative) Nervensystem betroffen. Dann können innere Organe an der Erkrankung beteiligt sein, wie etwa das Herz, die Blase oder die Verdauungsorgane. In diesem Fall treten möglicherweise Symptome wie diese auf:
- Herz-Kreislauf-Störungen, wie Herzrhythmusstörungen
- Schwindel
- Verdauungsstörungen, wie Durchfall, Verstopfung, Völlegefühl
- Blasenentleerungsstörungen, wie unkontrolliertes Wasserlassen bedingt durch ein fehlendes Gefühl dafür, wie voll die Blase ist
- Potenzstörungen bei Männern
- starkes (meist nächtliches) Schwitzen
Solch eine autonome Polyneuropathie entwickelt sich häufiger bei Menschen mit langjährigem Diabetes: Beinah jeder zweite ist nach etwa 20 Jahren davon betroffen.
Zu den häufigsten Ursachen für Polyneuropathie zählen Diabetes (Typ 1 oder Typ 2) sowie ein langjähriger übermäßiger Alkoholkonsum. Daneben gibt es jedoch auch viele weitere Ursachen. Nicht immer lassen sich diese sicher herausfinden.
Eine Polyneuropathie unklarer Ursache bezeichnen Fachleute als idiopathische Polyneuropathie.
Zu den typischen Beschwerden einer Polyneuropathie kommt es, weil die Nervenfasern des peripheren Nervensystems bei den Betroffenen Schaden genommen haben. Als Folge leiten die Nerven Reize wie Berührung oder Schmerz schlechter oder gar nicht mehr an das Hirn weiter oder lösen spontane Nervenimpulse aus. Entsprechende Reize an den Beinen oder Armen dringen so nur noch abgeschwächt durch und es können Missempfindungen wie ein Brennen, Kribbeln oder Taubheitsgefühle oder auch Schmerzen in den betroffenen Bereichen entstehen.
Bei den meisten Betroffenen handelt es sich um eine erworbene Polyneuropathie. Das heißt, die Nervenschädigung ist die Folge einer anderen Erkrankung (wie Diabetes). In seltenen Fällen kann eine Polyneuropathie auch angeboren, also erblich bedingt sein.
Eine erworbene Polyneuropathie kann viele Ursachen haben, hier einige Beispiele:
- Typ-1- oder Typ-2-Diabetes (sog. diabetische Neuropathie)
- Alkoholkrankheit
- länger bestehender Nährstoffmangel (etwa ein Mangel an B-Vitaminen wie Vitamin B12 und Folsäure oder Vitamin E)
- Vergiftungen (etwa durch Schwermetalle wie Blei, Arsen, Thallium)
- hormonelle Störungen (etwa bei Schilddrüsenunterfunktion oder bei Akromegalie, einer Wachstumshormonstörung)
- Infektionskrankheiten (wie Borreliose, Syphilis, HIV)
- Guillain-Barré-Syndrom (Nervenerkrankung infolge einer Autoimmunreaktion, häufig nach Infekten)
- Chemotherapie im Rahmen einer Krebserkrankung
- Gefäßentzündung (Vaskulitis)
Polyneuropathie ist in den meisten Fällen eine chronische Erkrankung, die allmählich beginnt und nur langsam fortschreitet. Welchen Verlauf die Nervenerkrankung nimmt, lässt sich nicht pauschal sagen. Mit der richtigen Behandlung bessern sich die Schmerzen und anderen Beschwerden jedoch in vielen Fällen.
Ist die Ursache der Polyneuropathie eine andere Erkrankung wie Diabetes, Alkoholismus oder ein Mangelzustand wie ein Vitamin-B12-Mangel, lassen die Symptome unter Umständen nach, wenn diese angemessen behandelt und etwa der Blutzucker gut eingestellt, auf Alkohol verzichtet oder der Mangel ausgeglichen wird. Periphere Nervenzellen können sich zum Teil von Schädigungen wieder erholen; dafür braucht es jedoch Zeit. Bis sich die Schäden und damit die Beschwerden im Verlauf zurückbilden, können Monate bis Jahre vergehen.