Union und SPD verhandeln momentan auch über die innere Sicherheit. Derweil steigt die Zahl der Gewalttaten. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei sieht deshalb nun Handlungsbedarf.
Die Gewalt in Deutschland ist zuletzt weiter angestiegen, zeigt die polizeiliche Kriminalstatistik. Im vergangenen Jahr gab es deutlich mehr Körperverletzungen und Sexualstraftaten – ein Trend, der sich fortsetzt. Die Polizei fordert seit längerer Zeit mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. In den Koalitionsverhandlungen haben Union und SPD festgehalten, mehr Daten zu sammeln.
Das mache Mut, findet Jochen Kopelke, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Er ist zufrieden mit den ersten Ergebnissen. Doch er mahnt auch: Bei der Finanzierung muss sich noch etwas tun. Und auch weitere Bedürfnisse der Polizei sieht er noch stark vernachlässigt.
t-online: Herr Kopelke, am Mittwoch wurde die polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt. Die zeigt einen deutlichen Anstieg von Körperverletzungen und Sexualstraftaten. Wie bewerten Sie die Zahlen?
Jochen Kopelke: Das war eine der deutlichsten und ehrlichsten Pressekonferenzen für Kriminalstatistik, die ich seit Langem erlebt habe. Die Menschen fühlen seit einem Jahr die Unsicherheit. Das ist jetzt bewiesen worden. Das zeigt, dass wir ein Problem haben, insbesondere mit dem Thema Gewalt – auf der Straße, auf den Schulhöfen, in den Wohnungen. Wir haben eine dramatische Zunahme an Gewalt gegenüber Frauen, sowohl sexualisierte Gewalt als auch grundsätzliche Gewalt. Und wir erleben, dass die Täter immer jünger werden und eine starke Zunahme an ausländischen Tätern.
Was schließen Sie daraus?
Die Ausgangslage für die Koalitionsverhandlung ist eindeutig. Alle kennen die Lage, und die Antworten sind klar. Wir brauchen Lösungen für die Integration und die Migration. Zudem müssen wir für die Täter Konzepte finden, die wirken. Junge Männer, die gewalttätig werden, müssen schnell bestraft werden und dann Maßnahmen für eine Verhaltensveränderung bekommen. Es braucht also auch Präventionskonzepte. Die neue Bundesregierung hat damit sauviel Arbeit, aber auch die Chance, die Dinge zu lösen, anders als es in der Vergangenheit der Fall war.
Union und SPD verhandeln aktuell über ihr Regierungsprogramm. Sie planen eine Sicherheitsoffensive. Wie sehr können Sie eine solche Sicherheitsoffensive erkennen?
Die Koalitionsverhandlungen machen uns Mut, es gibt viel Einigkeit in den Bereichen, die uns Polizisten betreffen. Wir bekommen deutlich mehr Befugnisse. Aber an einigen Stellen sind wir irritiert. Die Frage der Finanzierung von innerer Sicherheit wurde noch nicht beantwortet. Wir wissen auch nicht, wo das Personal herkommen soll, um die neuen Aufgaben zu lösen. Und wir wissen nicht, ob wir bei Grenzkontrollen Menschen zurückweisen dürfen, weil wir eine Rechtslage haben, die nicht klar ist, und wir Gefahr laufen, nicht korrekt zu arbeiten.
- Koalitionsverhandlungen: Das ist der Stand bei der inneren Sicherheit
Bei der Finanzierung ging es zuletzt insbesondere um die Sondervermögen für Bundeswehr und Infrastruktur, die Polizei profiziert davon nicht. Sie selbst fordern seit langer Zeit auch ein Sondervermögen für innere Sicherheit. Ist es nicht unrealistisch, dass ein weiteres Sondervermögen kommt?
Sowohl im Bund als auch in den Landeshaushalten ist Geld da. Es braucht jetzt nur eine Priorisierung. Die Menschen wollen Sicherheit, sowohl äußere als auch innere in ihrem Alltag. Es gibt pro Jahr 5,8 Millionen Straftaten, aber wenig Aufklärung, die Täter werden nicht gefasst. Wer eine bessere Sicherheitslage will, muss es auch bezahlen. Aber man braucht einen schlauen Ansatz, der nachhaltig wirkt.
Und das wäre ein weiteres Sondervermögen?
Es braucht ein Sondervermögen für die innere Sicherheit, und ich halte es weiterhin für realistisch. Denn Haushaltsgesetzgeber ist der Deutsche Bundestag – und der wird schließlich von den Menschen gewählt, die sich unsicher fühlen. Aber es gibt auch andere Lösungen wie Investitionsfonds. Da ist die Kreativität von Haushaltspolitikern gefordert.
Was würde es bedeuten, wenn die Parteien dort keine Lösung finden?
Es darf nicht passieren, dass eine neue Regierung hinter das zurückfällt, was die Ampel bereits auf den Weg gebracht hat. Die hatte im Haushalt bereits eine Milliarde Euro zusätzlich für die innere Sicherheit eingeplant. Dann würde sich die Merz-Regierung unglaubwürdig machen, bevor sie vereidigt ist.