Seit Jahren kann die Kirche Geflüchteten in besonders harten Fällen Asyl gewähren. Immer häufiger schieben die Behörden trotzdem ab. In Bremen wurde das verhindert.
In Bremen hat die Polizei in der Nacht zu Dienstag versucht, einen 25-jährigen Somalier, der sich derzeit im Kirchenasyl befindet, festzunehmen. Der Betroffene sollte nach abgelehntem Antrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abgeschoben werden. Der Einsatz scheiterte jedoch offenbar am Widerstand der Gemeinde, in der sich rund 100 Menschen mit dem Pastor versammelt und sich mit dem Somalier solidarisiert hatten.
Der 25-Jährige gilt als sogenannter Dublin-Fall, das heißt, er ist über einen Drittstaat, in diesem Fall Finnland, nach Deutschland eingereist. Nach EU-Recht wäre damit eigentlich der Staat der Ersteinreise für das Asylverfahren zuständig. Der Somalier wolle allerdings keinesfalls zurück nach Finnland, erklärt sein Anwalt dem Nachrichtensender „buten un binnen“. Er habe dort Gewalterfahrungen durch die Behörden machen müssen.
Nach seiner Ankunft hatte ihn die Gemeinde in Bremen dann als Härtefall ins Kirchenasyl aufgenommen. Kirchenasyl unterliegt klaren Regeln, die seit 2015 in einer Vereinbarung zwischen den großen Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) festgelegt sind. Die Anwendung des Asyls ist nur in „begründeten Ausnahmefällen“ und zur „Vermeidung besonderer humanitärer Härten“ vorgesehen. Eine gesetzliche Grundlage gibt es, für das Vorgehen nicht.
Für einen Antrag auf Kirchenasyl müssen die Kirchen ein Dossier beim Bamf einreichen, das darlegt, warum eine Abschiebung gemäß Dublin-Abkommen in den zuständigen Staat eine unzumutbare Härte darstellen würde. Während des Kirchenasyls können Geflüchtete dann die Frist abwarten, bis der Staat für ihr Asylverfahren zuständig wird. Im Falle des Somaliers hatte das Bamf den Antrag jedoch abgelehnt, woraufhin faktisch eine Abschiebung folgen müsste.
Solche Vorfälle scheinen immer häufiger zu werden. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ erkennt das Bamf mittlerweile weniger als ein Prozent der Härtefall-Dossiers an – im Vergleich zu 80 Prozent im Jahr 2015. Pastor Lieberum berichtet, dass sich in Bremen, als sich eine Abschiebung abzeichnete, rund 100 Gemeindemitglieder, Flüchtlingshelfer und Anwohner im Gemeindezentrum versammelten.
„Wir haben die Kirchenbänke weggeräumt und auf Isomatten und Schlafsäcken übernachtet“, erzählt er. Als die Polizei eintraf, stellten sich die Menschen auf der Treppe und vor dem Eingang auf, um die Beamten daran zu hindern, die Kirche zu betreten. „Und ich habe ordentlich die Glocken läuten lassen“, fügt Lieberum hinzu. „Bis die Polizei wieder abgezogen ist.“
Innensenator Ulrich Mäurer von der SPD übt indes scharfe Kritik an der Kirche und wirft ihr vor, sich nicht mehr an die 2015 getroffene Vereinbarung zu halten. Wenn das Bamf einen Härtefall nicht anerkenne, „muss der Betroffene das Kirchenasyl verlassen“, so Mäurer. „Geschieht das nicht, stellt die Kirche unseren Rechtsstaat grundsätzlich infrage.“
Das Kirchenasyl gerät damit weiter unter Druck. Seit Juli 2023 wurden laut der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ acht Kirchenasyle geräumt – so viele wie in den zehn Jahren zuvor nicht. Zuletzt hatte die Polizei Anfang Oktober ein Kirchenasyl in Hamburg geräumt, das erste Mal seit 40 Jahren.
Der friedliche Widerstand der Beteiligten führte dazu, dass der Einsatz erst einmal abgebrochen wurde. Die zuständigen Bremer Behörden haben sich bislang zu dem Vorfall nicht geäußert.