Migräne ist mehr als nur Kopfschmerz: Sie beeinträchtigt das Leben vieler Menschen erheblich. Neue Therapieansätze und Medikamente können Betroffenen helfen.
Hämmernde, pulsierende Kopfschmerzen, Überempfindlichkeit gegen Licht, Geräusche und Gerüche, Übelkeit bis hin zum Erbrechen: Migräne kann sich bei verschiedenen Patienten auf ganz unterschiedliche Weise äußern. Ebenso vielfältig ist die Liste möglicher Auslöser. Das macht ihre Behandlung schwierig. In den vergangenen Jahren sind jedoch neue Therapieoptionen entstanden.
Migräne wurde lange nicht als ernsthafte Krankheit anerkannt. Doch „Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen überhaupt, die auch zu deutlichen Einschränkungen in der Lebensqualität führen kann“, betont Christian Maihöfner, Sprecher der Kommission Schmerz der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Eine schwere Migräne könne ähnliche gesundheitsökonomische Folgen haben wie ein Schlaganfall.
Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) sind 14,8 Prozent der Frauen und 6 Prozent der Männer in Deutschland von Migräne betroffen. Weitere 13,7 Prozent der Frauen und 12 Prozent der Männer haben wahrscheinlich Migräne, so eine Erhebung von 2020.
Viele Betroffene greifen zu klassischen Schmerzmitteln wie Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure (ASS), die auch in den Leitlinien von Fachgesellschaften empfohlen werden. Ein Übergebrauch könne jedoch selbst wieder Kopfschmerzen auslösen, warnt Gudrun Goßrau, Generalsekretärin der Deutsche Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG): „Als Faustregel gilt, dass man diese an nicht mehr als neun Tagen pro Monat nehmen sollte.“ Eine unbehandelte Migräne könne ferner chronisch werden, so Goßrau.
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Gerade bei schwerer Migräne versagen diese Schmerzmittel oft. In diesen Fällen könnten spezielle Migränemedikamente – sogenannte Triptane – zum Einsatz kommen, erklärt Maihöfner, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Fürth. Diese gebe es mittlerweile in verschiedenen Darreichungsformen: „Triptane können als Spritze, als Tablette oder mittlerweile sogar als Nasenspray verabreicht werden.“ Letzteres sei bei Migräne mit Übelkeit von Vorteil.
Seit Kurzem steht mit den Ditanen zudem eine neue Wirkstoffklasse zur Verfügung – vor allem für jene, die aufgrund von Herzkreislauferkrankungen oder einem früheren Schlaganfall auf Triptane verzichten sollten, so Maihöfner. In Deutschland ist bislang ein solches Medikament zugelassen.
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Ditane wirken ähnlich wie Triptane, indem sie – vereinfacht gesagt – Nerven daran hindern, Substanzen freizusetzen, die Migräne auslösen. Zu eben jenen neurologischen Auslösern habe sich das Verständnis zuletzt deutlich verbessert, sagt Maihöfner: „Heute gehen wir davon aus, dass entzündliche Vorgänge an der harten Hirnhaut eine Rolle spielen: Bestimmte Nervenfasern können eine Entzündung auslösen, wobei das sogenannte CGRP – Calcitonin Gene-Related Peptide – besonders wichtig ist.“ CGRP sorge dafür, dass sich Gefäße an der harten Hirnhaut weiten, was wiederum die Schmerzverarbeitung wichtiger Nervenfasern reize.
„Die Identifikation der Schlüsselrolle dieses Neuropeptids hat einen Durchbruch in der vorbeugenden Migränetherapie ermöglicht: nämlich die Entwicklung sogenannter CGRP-Antikörper“, so Maihöfner. Aktuell seien in Deutschland vier Mittel zugelassen, die entweder den CGRP-Rezeptor blockieren oder den Botenstoff selbst abfangen: „Diese gehören aber in die Hand von Neurologen oder Schmerztherapeuten, die sich damit gut auskennen.“
Darüber hinaus werden Betablocker, Antidepressiva und vereinzelt auch Epilepsie-Mittel vorbeugend eingesetzt. Letztere können allerdings fruchtbarkeitsgefährdend wirken. Manche Betroffene berichten von positiven Erfahrungen mit Magnesium oder Vitamin B2. Bei chronischer Migräne, von der man bei mehr als 15 Tagen im Monat spricht, können darüber hinaus Botulinumtoxin-Injektionen (Botox) verschrieben werden.
Bevor Prophylaxe-Medikamente genommen werden, sollten allerdings nichtmedikamentöse Optionen versucht werden. „Hier spielen Entspannungsverfahren wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung eine wichtige Rolle, aber auch Meditation und Achtsamkeit“, zählt Maihöfner auf. Ebenso könne Ausdauersport in Form von Schwimmen, Joggen oder Nordic Walking helfen.
Goßrau unterstreicht zudem die Wichtigkeit eines regelmäßigen Tagesablaufs: „Zur gleichen Zeit essen, zur gleichen Zeit und ausreichend schlafen, den Alltag nicht zu voll packen: Gerade bei wiederkehrender Migräne ist das wichtig.“
Männer sind oft unterbehandelt
Die Neurologin betont auch die Bedeutung von Aufklärung: So kämen Triptane aus Angst vor Nebenwirkungen zu selten zum Einsatz, Männer seien unterbehandelt – nicht zuletzt, weil Migräne als Frauenkrankheit gelte. Zudem werde das Auftreten in jungen Jahren vernachlässigt. Tatsächlich sind laut DMKG fast zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen.