„Nichts ist vor ihnen sicher“
Neue Studie warnt vor Monsterwellen in der Nordsee
19.02.2025 – 17:24 UhrLesedauer: 3 Min.
Forscher warnen: In der Nordsee gibt es mehr Monsterwellen als erwartet. Sie bedrohen Schiffe und Windparks.
In der deutschen Nordsee gibt es einer Studie zufolge an einigen Orten unerwartet viele und potenziell gefährliche Extremwellen. Die Untersuchung „Freak Waves II“ zum Auftreten dieser viele Meter hohen Wellen in der südlichen Nordsee habe ergeben, dass sie häufiger vorkommen als in der Theorie angenommen, teilte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am Mittwoch mit.
„Nichts ist vor ihnen sicher“, hieß es in der Mitteilung des Bundesamtes. Extremwellen, im Englischen als Freak Waves oder Rogue Waves bezeichnet, seien per Definition mindestens doppelt so hoch wie der Mittelwert der höchsten Wellen in einem Seegang. Insbesondere ihre steile Vorderfront und ihr plötzliches Auftreten mache sie gefährlich.
Regelmäßig versenken diese Wellen Schiffe: Rund zwei Schiffe pro Woche seien in den vergangenen Jahren weltweit wegen schlechten Wetters untergegangen, teilte das BSH weiter mit. „Extrem hohe Wellen sind in vielen dieser Fälle vermutlich der Auslöser.“
Extremwellen bedrohen dem Amt zufolge auch Offshore-Windparks und Forschungsplattformen und können für enorme Schäden sorgen. Ein Beispiel: Am 5. Dezember 2013 zerstörte infolge des Orkans Xaver eine Extremwelle das 15 Meter hoch gelegene Zwischendeck der Offshore-Forschungsplattform „Fino“, die 45 Kilometer nördlich von Borkum liegt. Allein die Materialkosten für die Reparatur der Messinstallationen beliefen sich laut BSH auf 120.000 Euro.
Und 1995 war es mutmaßlich eine Extremwelle, die zwei Seenotrettern der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) das Leben kostete: Maschinist Theo Fischer stürzte über Bord, als die „Alfred Krupp“, die wegen eines Rettungseinsatzes ausgelaufen war, von einer riesigen Welle getroffen und umgeworfen wurde. Während Helfer versuchten, die restliche Crew per Helikopter vom manövrierunfähigen Schiff zu holen, brach eine weitere Sturzsee über dem Seenotrettungskreuzer zusammen und riss auch noch Vormann Bernhard Gruben in den Tod.
Jetzt wurden für die Studie „Freak Waves II“ zur Häufigkeit von Extremwellen in der Nordsee sechs Wellenmessbojen überwiegend aus dem Messnetz des BSH im Gebiet der Deutschen Bucht verwendet. Schon eine Vorläuferstudie hatte ergeben, dass es vor Norderney die meisten Extremwellen gibt. Die dortige Boje im Flachwasser zeichnete auf, dass etwa jede 5800. Welle eine Extremwelle ist. „Damit traten hier im Vergleich die meisten Extremwellen auf“, sagte Ina Teutsch vom Helmholtz-Zentrum Hereon.
Gefahren für den Tourismus auf Norderney gibt es laut BSH nicht, weil die Wellen schon in Küstennähe brechen. Da Extremwellen aber für die Schifffahrt eine enorme Gefahr darstellen, arbeiten die Forscher intensiv daran, Vorhersagemethoden zu entwickeln.
Mit zwei verschiedenen Ansätzen des Maschinellen Lernens wurde dem BSH zufolge versucht, die Wahrscheinlichkeit einer Extremwelle in den jeweils kommenden zehn Minuten vorherzusagen. Beide Modelle zeigen demnach vielversprechende Ergebnisse. Ein BSH-Sprecher ergänzte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters, mit einem Einsatz solcher Technologien sei jedoch noch nicht in den kommenden drei Jahren zu rechnen. Dafür müssten noch die Datensätze erweitert und die Ursachen genauer erforscht werden.
Mit Tsunamis, die oft durch Erdbeben ausgelöst werden, haben Extremwellen im Übrigen nichts zu tun. Sie werden durch Wind und das Zusammenspiel anderer Wellen erzeugt. Die gefürchteten Wasserwände werden auch als Monsterwellen und vor allem unter Seeleuten als Kaventsmänner bezeichnet.