Jeden Tag beantwortet ein Experte aus der t-online-Ratgeberredaktion eine Leserfrage rund ums Geld. Heute: Ist es sinnvoll, bei Inflation Schulden zu machen?
In der Theorie klingt es erst einmal logisch: Verliert das Ersparte an Kaufkraft, ist das für Sparer ein Nachteil. Wer sich hingegen Geld geliehen hat, müsste profitieren, wenn das, was er zurückzahlt, weniger wert würde – oder etwa nicht? Sollte ich mich also bei steigender Inflation verschulden, fragte ein t-online-Leser über Instagram.
Leider nein. In der Regel geht diese Theorie nicht auf. Nur unter ganz bestimmten Bedingungen ist es lohnend, bei hoher Inflation Schulden zu machen. Und die erwischt man nur mit Glück.
Erste Bedingung: Das Einkommen muss mindestens genauso stark steigen wie das Preisniveau. Nur so würden die Schulden im Verhältnis für Sie „billiger“, denn an deren Höhe auf dem Papier ändert sich nichts: 10.000 Euro Schulden bleiben 10.000 Euro Schulden – auch wenn Sie inzwischen mehr verdienen.
Es ist jedoch keineswegs sicher, dass die Löhne mit der Inflationsrate Schritt halten oder diese sogar übertreffen. Häufig hinken die Löhne hinterher, sodass der Vorteil durch den Wertverlust der Schulden durch die höheren Lebenshaltungskosten wieder aufgezehrt wird.
Zweite Bedingung: Die Kreditzinsen müssen niedriger sein als die Inflation. Andernfalls zahlen Sie für die Zinsen genauso viel oder mehr, als Ihnen der Kaufkraftverlust Ihrer Schulden einbringt. Wer sich in einer Hochinflationsphase neu verschulden will oder muss, hat jedoch schlechte Karten.
Da die Zentralbanken normalerweise die Leitzinsen anheben, um die Inflation zu bekämpfen, und damit auch die Kosten für Geschäftsbanken steigen, reichen diese die gestiegenen Zinsen an ihre Kunden weiter – Ihr Kredit wird teurer. Nur mit Glück erwischen Sie das Zeitfenster, in dem Banken ihre Zinsen noch nicht vollständig an die Inflation angepasst haben.
Was aber, wenn Sie sich gar nicht neu verschulden wollen, sondern bereits vor Jahren einen Kredit aufgenommen haben? Dann könnten Sie tatsächlich von der Inflation profitieren. Möglich ist das beispielsweise bei einer Baufinanzierung, die Sie noch vor der Corona- und Energiekrise abgeschlossen haben. Dann haben Sie sich sehr wahrscheinlich auf Jahre hinaus deutlich günstigere Bauzinsen gesichert, als Sie inzwischen bei einem Neuabschluss erhalten würden.
Doch erst, wenn auch Bedingung Nummer eins erfüllt ist, Ihr Einkommen also mindestens genauso gestiegen ist wie die Lebenshaltungskosten, bringt Ihnen dieser Niedrigzins-Kredit wirklich einen Vorteil.