Diskussion um Rückholflüge für Afghanen
„Eine Verpflichtung“ oder nur „Ideologie“?
16.04.2025 – 12:29 UhrLesedauer: 3 Min.
Die künftige Bundesregierung beabsichtigt, die Aufnahmeprogramme für schutzbedürftige Afghanen vollständig einzustellen. Dagegen regt sich jetzt Widerstand – auch aus der Bundeswehr.
SPD und Union konnten sich zwar auf einen Koalitionsvertrag einigen, noch ist die schwarz-rote Regierung aber nicht im Amt. Aktuell regiert geschäftsführend weiterhin die SPD gemeinsam mit den Grünen. Neue Entscheidungen werden auf der Zielgeraden der Legislatur kaum noch getroffen – den Forderungen der Union will man sich dennoch nicht beugen.
Im Koalitionsvertrag für eine mögliche schwarz-rote Regierung haben sich die Verhandlungspartner auf eine deutlich restriktivere Migrationspolitik geeinigt – ganz im Sinne von CDU-Chef Friedrich Merz. So heißt es unter anderem, man wolle „freiwillige Bundesaufnahmeprogramme soweit wie möglich beenden (zum Beispiel Afghanistan) und keine neuen Programme auflegen“.
Derzeit existieren zwei Programme, die von diesen Plänen betroffen sein könnten:
Die Grünen zeigen kein Verständnis für die von der Union geplanten Maßnahmen und die abrupte Kehrtwende der SPD in der Migrationspolitik. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz, kritisierte: „Erneut schießt man aus der Union aus allen Rohren gegen die Aufnahme von Menschen, die vor der Terrorherrschaft der Taliban geflüchtet sind.“ Das sei „menschlich zutiefst schäbig“ und untergrabe das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat sowie in gemachte Zusagen.
Auch innerhalb der Bundeswehr stoßen die Formulierungen im Koalitionsvertrag auf Kritik. Generalmajor Markus Kurczyk, der sich im Verein Patenschaftsnetzwerk Ortskräfte engagiert, äußerte sich in einem Interview mit dem Sender n-tv: „Das Ortskräfteverfahren ist kein freiwilliges Programm.“ Nach seiner Interpretation könne mit dem geplanten Stopp nicht das Ortskräfteverfahren gemeint sein – denn dieses sei, anders als andere Programme, keine freiwillige Maßnahme, sondern eine rechtliche „Verpflichtung“.
Er selbst, so sagt er, hätte vor Ort in Afghanistan ohne seinen Dolmetscher kaum arbeiten können, diesen Leuten sollte man helfen: „Den lasse ich doch jetzt nicht zurück. Das ist deutlich mehr als eine Aufnahme aus humanitären Gründen.“ so Kurczyk. Er sehe somit keinen Grund, das Ortskräfteverfahren zu stoppen.
Er erinnerte daran, dass die Arbeit in Afghanistan erst durch die Unterstützung der Ortskräfte möglich geworden sei. Dass diese Menschen heute aufgrund ihrer Hilfe für Deutschland in Lebensgefahr schwebten, bedeute aus seiner Sicht eine moralische wie rechtliche Verantwortung, ihnen Schutz in Deutschland zu gewähren.
Um mit dem deutschen Aufnahmeprogramm ausgeflogen zu werden, müssen die Schutz suchenden Afghanen eigenständig nach Pakistan migrieren, dort wird dann die Sicherheitsprüfung sowie die Gefährdung der einzelnen Personen geprüft. Für diesen Monat sind noch drei Flüge von Pakistan nach Deutschland geplant – am heutigen Mittwoch sowie am 23. und 29. April. An Bord sollen sich sowohl ehemalige Ortskräfte als auch anderweitig gefährdete Personen befinden.
Bereits am 10. März hatte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts erklärt, dass rund 2.800 Afghaninnen und Afghanen noch eine gültige Zusage zur Aufnahme in Deutschland besitzen. Aus Sicht der Bundesregierung haben diese Zusagen rechtlichen Bestand. Für Generalmajor Kurczyk ist klar: Diese Versprechen dürfen nicht von einer neuen Regierung einkassiert werden – sie müssen unabhängig von politischen Entscheidungen eingehalten werden.
Innerhalb der CDU herrscht offenbar Einigkeit: „In dem Moment, wo die Regierung Merz steht, werden diese Flieger aus Afghanistan nicht mehr kommen, beziehungsweise sie werden aus Deutschland nach Afghanistan gehen. Und als Erstes sollten die Straftäter dort sitzen, damit abgeschoben wird“, so CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.