
Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler wurde von Schäuble zur Vorsitzenden des ersten bundesweiten Bürgerrats berufen. Sie sagte zu Bedeutung der Gremien: „Demokratie ist ein kompliziertes und fragiles Gebilde. Sie muss stetig neu erkämpft werden. Das sind komplizierte Verhandlungsprozesse. Dieses Verständnis in den Prozesscharakter der Politik fehlt vielen Menschen.“ Bürgerräte sollten den Menschen einen Einblick in die Abläufe und Handlungslogiken der Politik verschaffen.
Gisela Erler (Grüne) war in Baden-Württemberg Staatsrätin für Bürgerbeteiligung. Das Land reagierte mit der Einrichtung des neuen Amts auf den Unmut rund um den Bahnhofsneubau Stuttgart 21. Erler erklärte: „Bürgerräte arbeiten immer lösungsorientiert. Es wird explizit der Dialog und die Lösung gesucht. Andere Formen wie Volksentscheide polarisieren. Das erschwert das Zuhören, das erschwert das Aufeinander-Zugehen und delegitimiert erzielte Kompromisse.“
Manuela Glaab ist Politik-Professorin an der RPTU Kaiserslautern-Landau. Die Forscherin beriet die baden-württembergische Landesregierung in Fragen der Bürgerbeteiligung. Glaab bilanzierte: „Parteien fällt es zunehmend schwer, ihre Mittlerfunktion zwischen Gesellschaft und Staat wahrzunehmen.“ Diese Lücke könnten Bürgerräte füllen.
Die Politik muss die Ergebnisse eines Bürgerrats nicht umsetzen. Vorschläge für die Tonne, sagen Kritiker.
Bundestagspräsidentin Klöckner setzt nun auf die verfassungsrechtlich verankerten Verfahren. „Wenn wir die Idee der Bürgerräte ergänzend zur repräsentativen Demokratie fortführen, sollten wir vorher besser klären, welche Erwartungen damit verknüpft werden.“ Zudem warnte Klöckner, die Politik „dürfe nicht Stimmungen nachgeben, die schnell wieder umschlagen können“. Vor allem aber fürchtet die Unions-Politikerin offenbar eine Entwertung des Bundestags. Sie erklärte: „Es muss der Eindruck vermieden werden, die Bedeutung des Parlamentes und der frei gewählten Parlamentarier würde geschmälert.“
Die Initiative „Mehr Demokratie“, die sich für die Schaffung von Bürgerräten einsetzt, reagierte enttäuscht auf Klöckers Beschluss und erklärte: „Schwarz-Rot legt die Axt an die Bürgerbeteiligung.“ Auch aus den Reihen der Koalition kam Kritik an Klöckners Vorgehen. Der SPD-Abgeordnete Helge Lindh verwies auf den Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung. Dort heißt es: „Ergänzend zur repräsentativen Demokratie setzen wir dialogische Beteiligungsformate wie zivilgesellschaftliche Bürgerräte des Deutschen Bundestages fort.“
Dennoch wickelt Klöckner nun Schäubles Erbe ab. Sie setzt allein auf Legitimation durch Verfahren.









