
Warum wollten Sie das so sehr?
Ich wollte dazugehören und habe beobachtet, dass schlankere Menschen besser behandelt werden als mehrgewichtige.
Haben Sie Ihren Eltern von diesen Problemen erzählt?
Nein, ich habe immer gesagt, mir geht es gut. Als ich auf ungesunde Weise abgenommen habe, indem ich zu wenig aß und übermäßig trainierte, waren meine Eltern positiv überrascht. Als ich mit Anfang 20 ausgezogen bin, waren sie beeindruckt davon, dass ich mit Fitnessvideos auf Social Media Geld verdienen kann.
Wie lange hat diese Strategie funktioniert?
Bis meine Eltern gesehen haben, dass meine Gewichtsschwankungen aus dem Ruder liefen. Ich nahm von heute auf morgen 20 bis 30 Kilo zu. Als ich sie besuchte, schaute ich in ihre schockierten Gesichter und suchte trotzdem Ausreden für meinen veränderten Körper und meine Essanfälle. Ich erklärte ihnen, ich trainiere zu viel oder hätte zu wenig geschlafen. Im Grunde wollte ich mich selbst überzeugen, dass es mir gut geht.
Aber es ging Ihnen nicht gut?
Nein, ich kam an einen Punkt, an dem ich permanent müde und zu hart zu mir selbst war. Zusammen mit meinem geringen Selbstwertgefühl fehlte mir irgendwann die Kraft und ich konnte meinen Alltag nicht mehr bestreiten. Ich musste mir eingestehen, dass ich ein tieferliegendes Problem hatte.
Das Älterwerden hilft. Es ist kein Weltuntergang mehr, wenn ich bei einer Festivität zum Essen eingeladen bin. Ich habe keine Angst mehr vor Weihnachten und vor deftigen Gerichten. Durch Therapie habe ich gelernt, dass ich mir das Essen nicht verbieten muss, und das ist ein enormer Fortschritt. Aber sich von einer Essstörung zu lösen, ist zäh.
Weil Sie in alte Verhaltensmuster zurückfallen?
Ja. Und Social Media erleichtert es mir nicht. Ich habe einen Job, in dem mein Äußeres permanent kommentiert wird. Ich setze mir noch immer gerne Ziele, aber ich versuche, mir heute weniger Druck zu machen.
Sie mögen Ziele. Wie ist es mit Neujahrsvorsätzen?
Der Jahreswechsel ist für mich immer schwierig. Ich blicke zurück auf meine Misserfolge und werde dann melancholisch. Aber ich bin ein Fan von Neuanfängen. An Montagen nehme ich mir oft vor, neue Pläne durchzuziehen, weil die Woche noch frisch und sauber ist. So geht es mir auch mit jedem neuen Jahr. Auf das Leben bezogen ist diese Denkweise aber utopisch, weil immer etwas Ungeplantes passiert.











