Nach Angriff auf indisches Restaurant
Kann dieser Anschlag überhaupt unpolitisch sein?
04.07.2025 – 17:42 UhrLesedauer: 4 Min.
Unbekannte schmieren Hakenkreuze an die Wände eines indischen Restaurants. Ein Politikwissenschaftler kritisiert jetzt die Staatsanwaltschaft, die einen rechtsextremen Hintergrund der Tat für unwahrscheinlich hält.
Riesige Hakenkreuze prangen an den Wänden und auf dem Boden in jedem Raum. „Sieg Heil“ steht an der Tür, „Ausländer Drecks“ an einer Säule und „88“ (ein unter Neonazis genutzter Hitlergruß) auf dem Schrank unter dem Aquarium. Das indische Restaurant „Maharaja“ ist nach einem Brandanschlag vollständig verwüstet.
Und zwischen den vielen, eindeutig rechtsextremen Symbolen finden sich auch ein paar andere Zeichen: darunter ein Phallussymbol, das Wort „sexy“ und einige Smileys. Die Staatsanwaltschaft Aachen sagte t-online und anderen Medien nach dem Angriff, dass sie bei der Tat nicht von einem rechtsextremen Motiv des Täters ausgehe. Es gebe außer den Symbolen keine weiteren Anhaltspunkte, dass die Tat in „irgendeiner Weise“ politisch motiviert gewesen sei. Die Ermittlungen würden zwar weiterhin ins rechtsextreme Milieu geführt, würden aber auch im „privaten und geschäftlichen“ Bereich stattfinden.
Aber: Kann man überhaupt ein indisches Restaurant angreifen und mit Hakenkreuzen beschmieren, ohne dass das rechtsextrem ist? Und: Wieso spricht die Staatsanwaltschaft davon, dass die Tat nicht rechtsextrem motiviert gewesen sei, wenn doch weiterhin auch ins rechtsextreme Milieu ermittelt wird und noch kein Tatverdächtiger gefasst ist?

Mahir Tokatli ist Politikwissenschaftler an der RWTH Aachen und beschäftigt sich dort unter anderem mit Demokratie- und Autokratieforschung. Für t-online ordnet er die Vorfälle aus politikwissenschaftlicher Sicht ein.
Dass die Staatsanwaltschaft die Vorfälle öffentlich zu diesem Zeitpunkt als „nicht rechtsextrem motiviert“ deklariert, bewertet Tokatli als zu vorschnell. Solange die Staatsanwaltschaft in dieser Sache noch keine handfesten Ergebnisse habe, sei es nicht nachvollziehbar, dass die Behörde die Öffentlichkeit „auf andere Pfade führe“.
Staatsanwältin Johanna Boomgaarden sagte t-online zuvor, dass die rechtsextremen Schmierereien aus ihrer Sicht ein „Ablenkungsmanöver“ für die tatsächliche Intention der Täter sein könne. Das gleichzeitige Vorhandensein und die „Willkürlichkeit“ bei der Auswahl der Symbole deute aus Staatsanwaltssicht darauf hin, dass die Täter ihre tatsächliche Intention hinter den vielen rechtsextremen Symbolen verbergen würden.
Für Tokatli ist das aber kein Grund, eine rechtsextremistisch motivierte Tat auszuschließen. Auch wenn der Täter nicht direkt dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen ist. Im Gegenteil: Große Phallussymbole an der Wand passten sogar gut zu einer rechtsextremen Ideologie, deren Strukturen männlich dominiert seien.
„Die NSU-Morde sind noch nicht lang her“, sagt er. Auch hier habe man eine Tat vorschnell als milieukonnotiert abgestempelt und letztlich sei herausgekommen, dass diese Taten der größten deutschen rechtsextremistischen Terrororganisation zuzuschreiben waren. „So etwas sitzt tief im Bewusstsein und im Gedächtnis derjenigen, die potenziell betroffen sind“, sagt Tokatli. Auch gesamtgesellschaftlich führe dies zu Misstrauen gegenüber Polizei, Behörden und Staat.
So etwas sitzt tief im Bewusstsein und im Gedächtnis derjenigen, die potenziell betroffen sind.
Mahir Tokatli über den Angriff auf das „MaharajA“
Ein Hakenkreuz, sagt er weiter, sei zudem immer ein rechtsextremes Zeichen, sei immer eine Straftat und habe auch immer eine rechtsextreme Konnotation. „Darüber kann man nicht zwei verschiedener Meinungen sein.“ Zudem deute das Zeichen auch an, dass in den Köpfen der Menschen, die dieses Zeichen verwenden, zumindest rechtsextreme Gedanken vorkämen. Natürlich sei er sich bewusst, dass Jugendliche etwa das Symbol auch zur Provokation verwenden würden, doch müsse man in diesem Fall auch den Kontext der Verwendung betrachten.
Schließlich sei hier nicht der fiktive Gastronom Christian Schumacher angegriffen worden, der eine Gaststätte führe, in der deutsche Hausmannskost angeboten werde, sondern das indische Restaurant „Maharaja“. Der fiktive Inhaber Christian Schumacher würde laut Tokatli bei einem Anschlag auf sein Restaurant eher auf andere Schmierereien treffen. Für einen indischen Restaurantinhaber würden diese Symbole immer die einschüchternde Botschaft „Pass auf! Wir wollen dich hier nicht! Wir sind Rechtsextreme!“ vermitteln. Und dabei sei die ursprüngliche Intention des Täters für den Betroffenen sekundär.