„Heruntergewirtschaftet“
Scholz-Attacke – Jetzt spricht Robert Habeck
Aktualisiert am 08.01.2025 – 01:59 UhrLesedauer: 4 Min.
Nach der Verbalattacke des Bundeskanzlers gegen Robert Habeck meldet sich der Vizekanzler zu Wort. Er bekräftigt seine Forderung – und legt gegen Scholz nach.
Noch 45 Tage ist die Regierung aus SPD und Grünen geschäftsführend im Amt. Weil die Wahl am 23. Februar aber ihre Schatten vorauswirft, fliegen die Giftpfeile zwischen Kanzleramt und Wirtschaftsministerium derzeit munter hin und her. Zunächst warf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinem Vizekanzler vor, nicht nur das Heizungsgesetz handwerklich versemmelt zu haben, er attackierte Robert Habeck auch für dessen „unausgegorene Idee“ in Sachen Bundeswehr.
Der grüne Kanzlerkandidat Habeck hatte zuletzt eine drastische Steigerung des Wehretats gefordert, um Deutschlands Verteidigungsbereitschaft gewährleisten zu können. Dabei brachte Habeck auch eine Steigerung der Ausgaben für die Bundeswehr in Höhe von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ins Spiel. Diese Zahl stößt nicht nur bei Sozialdemokraten auf Ablehnung, auch manche Wirtschaftsexperten zeigen sich skeptisch.
Im „stern“ legte Habeck in dem Streit nach. Er wirft der Vorgängerregierung aus CDU und SPD vor, die Bundeswehr kaputtgespart zu haben. „Die Bundeswehr wurde unter der Großen Koalition heruntergewirtschaftet, immer nach dem Motto, macht ja nichts. Das Sondervermögen, mit dem wir angefangen haben, gegen das Desaster anzuarbeiten, steht schon übernächstes Jahr nicht mehr zur Verfügung“, sagte der grüne Kanzlerkandidat dem Magazin.
Die Kritik geht auch in Richtung von Scholz, dieser war vor seiner Kanzlerschaft zwischen 2018 und 2021 Vizekanzler und Finanzminister unter CDU-Regierungschefin Angela Merkel. Der Sozialdemokrat hatte Habecks Forderung am Montag auch mit dem Argument der fehlenden Refinanzierbarkeit zurückgewiesen. „Wer soll die Zeche zahlen?“, fragte Scholz, „Die Bürgerinnen und Bürger?“.
Diesen Vorwurf versucht Habeck zu entkräften. Er erklärt, dass er sein Vorhaben mit Milliardenkrediten finanzieren und dafür auch die Schuldenbremse reformieren will. „Die restriktive Schuldenbremse darf nicht darüber entscheiden, wie sicher Deutschland ist. Diese Frage richtet sich in erster Linie an die Union. Wir müssen den Frieden sichern und weiteren Krieg verhindern“, sagte er.
Derzeit sollen alle Nato-Bündnis-Partner mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Verteidigung investieren. Deutschland hat dieses Ziel 2024 erstmals seit Jahrzehnten wieder erreicht – mit dem 100 Milliarden Euro schweren und über Schulden finanzierten Sondertopf für die Bundeswehr. „Geopolitisch ist absehbar, dass wir – Deutschland und Europa – mehr Verantwortung für unsere Sicherheit übernehmen müssen, alles andere wäre angesichts der Aufstellung der USA naiv“, sagte Habeck.
Am Dienstag forderte der designierte US-Präsident Donald Trump von den Nato-Mitgliedstaaten, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen. Nach Trumps Vorstellung sollen die Partnerländer künftig fünf Prozent investieren. Hinter den Kulissen waren aus dem Lager des designierten US-Präsidenten aber auch andere Zahlen zu hören. Die „Financial Times“ sprach unter Berufung auf einen Insider aus dem Trump-Lager Ende Dezember davon, dass der künftige Präsident bei den Verteidigungsausgaben der Nato-Mitglieder zwar hoch pokert, sich aber auch mit 3,5 Prozent zufriedengeben würde – eben jene Zahl, die Habeck nun in den Raum stellt.
FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann teilt zwar Habecks Forderung nach einer Erhöhung der Wehrausgaben, hält sie aber vor allem für Wahlkampf. „Er versucht offensichtlich, Verteidigungsminister Boris Pistorius zu kopieren in der Hoffnung, die eigenen Umfragewerte zu verbessern. Dazu eignet sich die Frage der Sicherheit allerdings ganz und gar nicht“, sagte sie der „Rheinischen Post“.
Allerdings räumt auch die FDP-Außenexpertin ein, dass seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zwei Prozent des BIP nicht mehr ausreichten, um der Bedrohung durch Diktator Wladimir Putin zu begegnen.
„Wir sind enormen Bedrohungen ausgesetzt. Umso wichtiger ist es, gemeinsam mit der Nato und der EU Fähigkeiten aufzubauen und diese finanziell zu hinterlegen und nicht aus der hohlen Hand heraus Pi mal Daumen eine Zahl in den Raum zu stellen“, sagte die Europaabgeordnete.
Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Der Grünen-Politiker habe zwar recht mit seiner Forderung nach höheren Verteidigungsausgaben. „Die Zahl von 3,5 Prozent halte ich jedoch für aus der Luft gegriffen, ihr fehlt eine sachliche Herleitung“, sagte er der „Rheinischen Post“ und warf Habeck ein taktisches Wahlkampfmanöver vor.
- Lesen Sie hier einen Kommentar zur Außenpolitik Trumps von unserem US-Korrespondenten
Nach Berechnungen des Militärexperten Carlo Masala könnte nach dem Aufbrauchen des Sondervermögens für die Bundeswehr Ende 2027 eine Lücke von bis zu 40 Milliarden im Wehretat klaffen. Der „Spiegel“ kam sogar zu fehlenden Mitteln von bis zu 56 Milliarden Euro ab dem Jahr 2028, wie das Magazin unter Berufung auf eine interne Analyse aus dem Verteidigungsministerium berichtete. „Ich glaube, es ist daher sinnvoller, die Schuldenbremse so umzuformulieren, dass Investitionen von der Schuldenbremse ausgenommen sind“, sagte Masala dem „Focus“.