Viele gönnen sich um die Mittagszeit ein kleines Nickerchen. Doch nicht jeder wacht erholt wieder auf. Ein Schlafexperte verrät, worauf es beim Powernap ankommt.
Homeoffice macht es möglich: Viele Menschen gönnen sich um die Mittagszeit ein kleines Nickerchen, um für die zweite Tageshälfte Kraft zu tanken. Doch nicht jeder wacht voller neuer Energie wieder auf. Manchmal fühlt man sich schlapper als vorher. Ist das Mittagsnickerchen vielleicht doch nicht so gut? Ein Schlafexperte verrät, worauf es beim sogenannten Powernapping ankommt.
Das Schläfchen am Mittag gibt nicht nur Kindern neue Energie zurück. Auch viele Senioren schwören auf die kurze Schlafpause in der Tagesmitte, soll sie doch den Körper bei der Erholung unterstützen und neue Kraft bringen. Mütter sind ebenfalls oft dankbar für die kleine Pause zwischendurch und auch im Homeoffice bietet sich der Kurzschlaf an. In anderen Kulturen ist der Mittagsschlaf sogar fester Bestandteil im Tagesablauf, man denke beispielsweise an die Siesta in Spanien.
„Ein kurzer Mittagsschlaf kann Erholung bringen, die Konzentration fördern und für mehr Energie in der zweiten Tageshälfte sorgen. Wichtig aber ist, dass der Mittagsschlaf nicht zu lang ist, sonst erreichen Sie das Gegenteil: Sie fühlen sich müde und ‚zerknautscht'“, sagt Dr. Alfred Wiater, ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sowie Kinder- und Jugendarzt mit Schwerpunkt Schlafmedizin.
Während des Mittagsschlafes kann nicht nur der Körper neue Kraft tanken. Auch das Gehirn hat die Möglichkeit, Erlebtes zu verarbeiten und zu speichern. Wer beispielsweise für eine Prüfung lernen muss, behält den Lernstoff häufig besser, wenn er sich zwischen den Lernphasen ein Nickerchen gönnt. Auch das Nervensystem kann sich während der kurzen Pause beruhigen. Stresshormone können abgebaut werden. Allerdings darf der Tag-Schlaf nicht zu lang sein, sonst verliert er seinen positiven Effekt.
„Mittagsschlaf im Sinne des ‚power napping‘ sollte 20 bis maximal 30 Minuten nicht überschreiten. Dann bringt er eine gute Erholung. Insbesondere werden Gedächtnis und Aufnahmefähigkeit dadurch gebessert“, erklärt der Schlafexperte. Sei der Schlaf länger, komme man in die Tiefschlafphase – und werden wir aus dieser herausgerissen, fühlen wir uns wie gerädert und „stehen neben uns“. Der Grund: Der Körper ist dann auf festen Schlaf eingestellt.
Dr. med. Alfred Wiater ist ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sowie Kinder- und Jugendarzt mit Schwerpunkt Schlafmedizin. Außerdem hat der Schlafexperte zusammen mit Dr. med. Christoph Schöbel das Buch „Ticken Sie richtig? Wie Sie zu Ihrem gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus finden“ (Scorpio Verlag) verfasst. Dr. Wiater ist Leiter einer Onlinepraxis für Kinderschlafmedizin.
Während wir schlafen, durchläuft der Körper mehrere Schlafzyklen, die in je vier Schlafphasen unterteilt sind:
- Einschlafphase
- Leichtschlafphase
- Tiefschlafphase
- REM-Schlafphase
Während der Mensch schläft, durchläuft er pro Nacht – bei acht Stunden Schlaf – fünf solcher Schlafzyklen, die sich im Schnitt alle 90 Minuten wiederholen. Sind die Tiefschlafphase und der REM-Schlaf in der Nacht für die Regeneration von Bedeutung, profitiert der Körper beim Tag-Schlaf vor allem von der Einschlafphase und der Leichtschlafphase. In der Einschlafphase gleitet der Körper in den Schlaf – im Schnitt dauert dies etwa 15 Minuten. Während dieser Phase lassen die Muskeln zunehmend locker, das Nervensystem kommt zur Ruhe, wir entspannen. In der Leichtschlafphase ist der Mensch eingeschlafen. Allerdings wacht er, wie der Name bereits vermuten lässt, leicht wieder auf. Aus der Leichtschlafphase heraus gelingt daher auch der Start in die zweite Tageshälfte einfacher.
„Bei einem ausgedehnten Mittagsschlaf kommen wir in die Tiefschlafphase. Da im Tiefschlaf wichtige Heilungs- und Reparaturmechanismen stattfinden, lässt sich der Körper nicht mehr so leicht wecken. Das Hormonsystem ist dann auf Schlaf eingestellt. Wird die Tiefschlafphase unterbrochen, wird der Körper aus seinen physischen und psychischen Regenerationsprozessen gerissen – und wir fühlen uns entsprechend gerädert“, erklärt Wiater.
Und noch einen Nachteil kann ein zu langes Mittagsschläfchen haben: Der Schlaf-Wach-Rhythmus gerät durcheinander. Fehlt der natürliche Schlafdruck am Abend, können Einschlaf- und Durchschlafstörungen die Folge sein. Auch kann der Schlaf kürzer ausfallen, weil man früher aufwacht – was die Regeneration während des Nachtschlafs beeinträchtigt.
Während uns ein kurzes Nickerchen am Tag Energie schenken kann, kann zu langes Schlafen die Schlafqualität in der Nacht erheblich mindern. Daher sollten Menschen, die den Mittagsschlaf als Ausgleich für zu kurzen oder zu schlechten Nachtschlaf nutzen, besser auf den Schlaf am Tag verzichten und ihre Schlafhygiene dahingehend anpassen, dass der Nachtschlaf gefördert wird. „Der Mittagsschlaf als Kompensationsfunktion ist auf Dauer nicht wirklich hilfreich“, sagt Wiater.
„Wer Schlafprobleme hat und diese durch eine entsprechende Schlafhygiene nicht verbessern kann, sollte auf Ursachenforschung gehen und sich gegebenenfalls ärztliche Unterstützung holen. So können beispielsweise bestimmte Krankheiten, aber auch die Einnahme bestimmter Medikamente die Nachtruhe beeinträchtigen.“ Die Empfehlung des Schlafexperten: Länger als einen Monat anhaltende Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit sollte man ärztlich abklären lassen.