Die SPD steckt im Umfragetief, ein Wahlsieg 2025 scheint derzeit unerreichbar. Der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung kritisiert die Parteispitze scharf – und sieht vor allem ein Problem.
Eines muss man Olaf Scholz lassen: Es gibt wohl nur wenige Politiker, die angesichts so miserabler Umfragewerte so ruhig blieben. Scholz’ unerschütterliche Selbstgewissheit mag die einen beeindrucken, die anderen verwundern: Sie ändert nichts an der schwierigen Lage der SPD. Die Partei ist unbeliebt wie selten zuvor, seit Ampelbeginn im Jahre 2021 schleppt sie sich von einer Wahlniederlage zur nächsten.
Der Oberbürgermeister von Fürth, Thomas Jung (SPD), sieht dafür mehrere Ursachen: Die SPD vertrete in der Migrationspolitik nicht mehr die Interessen der Mehrheit, in Teilen der Partei herrsche eine „ideologische Verblendung“, so Jung im Interview mit t-online. Auch agiere Kanzler Scholz in der Regierung zu passiv, das Erscheinungsbild der Ampel sei „schauderhaft“. Der Sozialdemokrat geht auch mit der SPD-Führung hart ins Gericht – und nennt so manchen Talkshowauftritt „verstörend“.
t-online: Herr Jung, Sie sind seit 22 Jahren Oberbürgermeister in Fürth, seit 2008 fahren Sie regelmäßig Wahlergebnisse von über 70 Prozent ein. Haben Sie Ihren Wählern verschwiegen, dass Sie bei der SPD sind?
Thomas Jung: Nein. Aber ich stehe für eine klare, pragmatische Agenda. Das scheint bei den Leuten anzukommen. Dass ich bei der SPD bin, schadet nicht, es nützt aber auch nichts.
Wie erreicht ein SPD-Politiker solche Traumwerte, zumal im tiefschwarzen Bayern?
Die Leute unterscheiden bei Kommunalwahlen zwischen Person und Partei. Ich versuche zu leben, was ich als Politiker vertrete. Wenn ich mich etwa für Radwege oder erneuerbare Energien einsetze, sehen die Leute, dass ich selbst Rad fahre oder eine Solaranlage auf dem Dach habe. Das klingt vielleicht banal, aber Glaubwürdigkeit zahlt sich aus.
Im Bund pendelt die SPD hingegen seit Jahren bei um die 15 Prozent. Was macht die Sozialdemokratie falsch?
Wenn man an der Regierung ist, hat man viele Möglichkeiten, sich beim Wahlvolk positiv darzustellen. Doch die Ampel und damit auch der Bundeskanzler nutzen diese Chance überhaupt nicht. Sie wirken zerstritten, handlungsunfähig und abgehoben. Das ist sehr traurig.
Ist die Ampel gescheitert?
So weit würde ich nicht gehen. Man hat in einigen Bereichen durchaus ordentliche Ergebnisse vorzuweisen. Die Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die Bundesregierung verhältnismäßig gut bewältigt. Aber das Erscheinungsbild der Ampel ist wirklich schauderhaft. Dafür tragen alle drei Spitzenleute große Verantwortung.
Selbstverständlich auch der Kanzler. Er ist der Chef der Ampel.
Nach dem Anschlag in Solingen hat die Scholz-Regierung im Schnellverfahren die Grenzkontrollen verstärkt und ein Sicherheitspaket geschnürt, das nun allerdings in den Seilen hängt. Hat die Ampel angemessen auf die Terrortat reagiert?
Immerhin hat sie reagiert. Das Problem: Die Ampel wurde zu diesen Entscheidungen erkennbar getrieben. Es musste erst etwas Schreckliches passieren, bevor die Regierung handelte. Man hätte schon viel früher einen anderen Kurs einschlagen müssen, aber vieles wurde in Berlin als nicht durchführbar abgetan. Die Menschen spüren, dass etwas falsch läuft.
Was läuft aus Ihrer Sicht falsch?
Wir müssen die Migration so ordnen, dass die Menschen das Gefühl haben, dass der Staat die Kontrolle behält. Gerade Wähler der SPD wünschen sich einen starken Staat, der sie schützt und für Sicherheit sorgt. Ich hoffe, dass man in Berlin endlich den Schalter umlegt.
- Im Podcast: Zur erhöhten Waffengewalt hier Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl:
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