Im Dschungelcamp hat sich etwas eingeschlichen. Eine Sache, die dort eigentlich gar nichts zu suchen hat und für uns allen das Leben eintöniger macht: der gute Ton.
Eine Kolumne von Janna Halbroth.
Es ist nicht etwa ein Unterton oder ein fieser Ton, nicht mal ein schiefer Ton oder ein Tönchen, bei den vielen Böhnchen. Nein, im Dschungelcamp herrscht tatsächlich seit Tag 1 ein vorbildlicher guter Ton. Die Promis sind höflich zueinander und achten darauf, nie das Falsche zu sagen. Das muss man sich mal vorstellen.
Da wird dann schon mal eine Mücke zur Kuh gemacht, nämlich zu einer dämlichen. Denn wenn Pierre Sanoussi-Bliss zu Edith Stehfest mit süffisantem Lächeln „dämliche Kuh“ sagt, dann macht die daraus gleich eine Staatsaffäre, droht sogar mit dem Auszug. Und auch Anna-Carina Woitschack empfindet „die dämlichen Damen und herrlichen Herren“ des „Alten“-Schauspielers als wenig charmant. Nein, so geht es nicht, wer mit solchen Ausdrücken um sich wirft, der gehört in diesem Dschungelcamp vors Tribunal gestellt, dem werden die Leviten gelesen.
Auch als Jörg Dahlmann so seine „Jörg Dahlmann“-Momente hat, kommt ihm gleich die ganze Gruppe entgegen, die ihn höflich darauf hinweist, dass man dies und jenes nicht sagen könne, dürfe, wolle. Eigentlich ist das ja ganz schön und irgendwie auch richtig. Wir sollten uns gegenseitig dabei unterstützen, die richtigen Worte zu finden, bei der Sprache fängt es an. Das stimmt schon alles, aber doch bitte nicht im Dschungelcamp.
Als es zum ersten handfesten Streit kommt und Schlagerstar Anna-Carina Woitschack kurz davor ist, so richtig auszurasten – echte Realitystars würden sagen, sie zeigt endlich ihr wahres Gesicht – wird sie von Maurice „Löwe“ Dziwak zurückgehalten. Warum, erklärt er selbst: „Anna soll nicht dafür stehen, die soll für Friede und Freude und Spaß am Leben stehen.“ Nein, soll sie nicht, jedenfalls doch bitte nicht im Dschungelcamp.
Streiten, wie andere Urlaub machen
Und wenn es mal zu den seltenen Meinungsverschiedenheiten kommt, dann wird sich danach auch noch sofort entschuldigt und die gegenseitigen Standpunkte werden auf Augenhöhe ausdiskutiert. „Ich hab mich gut dabei gefühlt, das endlich mal zu sagen“, meint Timur Ülker zu Anna-Carina Woitschack nach einem Streit. Und sie entgegnet: „Das ist schön für dich. Ich gönne es dir.“ Streiten, wie andere Urlaub machen, das wäre ja an und für sich eine wunderbare Konfliktbewältigung, aber doch bitte nicht im Dschungelcamp.
Was ist denn los mit denen? Noch nie war die Show politisch so korrekt. Noch nie wurde so wenig gestritten, noch nie wurde sich so selten nicht falsch verhalten. In früheren Staffeln gab es schon Stress, wenn der eine mal versehentlich aus der Flasche des anderen getrunken hat. Und jetzt: Friede, Flaute, Eierschaukeln.
![Jörg Dahlmann: Auf jeden dämlichen Spruch von ihm, kam es gleich drei korrekte Reaktionen. Jörg Dahlmann: Auf jeden dämlichen Spruch von ihm, kam es gleich drei korrekte Reaktionen.](https://images.t-online.de/2025/02/1GOdA3RFEjLt/0x0:1816x1021/fit-in/1816x0/joerg-dahlmann-auf-jeden-daemlichen-spruch-von-ihm-kam-es-gleich-drei-korrekte-reaktionen.jpg)
Eigentlich ist es ja sehr löblich, dass die Stars sich nicht benehmen wie die letzten Armleuchter. Dass Anstand für sie keine abgewandelte Form von Handstand ist, ehrt sie. Dass sie „woke“ nicht für eine Modezeitschrift halten, ist ja gut. Wenn sich Jörg Dahlmann gleich mehrere Camper entgegenstellen und ihn darauf hinweisen, dass es so gar nicht cool ist, Donald Trump zu verherrlichen, dann ist das prinzipiell ein gutes Zeichen.
Aber ganz so war das dann doch irgendwie nicht gemeint. Ein bisschen Zoff und Zunder, ein falsches Wort mal hier, eine Spitze da, das darf ruhig sein. Das können wir Zuschauer aushalten, das wollen wir aushalten. Und den guten Ton, den heben wir uns dann für das echte Leben auf, dafür dann umso lauter.