
Am Tiefpunkt meines Lebens habe ich mir Crystal Meth gespritzt und wollte sterben. Kurz zuvor hatte ich noch mit meiner Freundin eine erfolgreiche Werbeagentur. Mein Leben ist eine ständige Achterbahnfahrt.
Hinter mir liegen 20 Jahre Drogenkonsum. Am Anfang habe ich studiert, aber parallel eine kleine Werbeagentur gegründet. Die lief schnell sehr gut. Wir waren zu zweit: Meine Freundin machte die Layouts, ich programmierte die Webseiten. Wir haben aus Hartz IV heraus angefangen – und waren nach nicht einmal zwei Jahren komplett raus aus dem Leistungsbezug.
Die Agentur war die Idee meiner Freundin, aber ich bin voll darin aufgegangen. Ich habe ADHS und kann mich gut in neue Themen reinstürzen. Das war damals aber noch nicht diagnostiziert. Stattdessen bin ich über die Technopartyszene auf Amphetamine gestoßen. Die Droge habe ich schnell in meinen Alltag verschleppt. Ich habe die Werbeagentur eigentlich nur durch regelmäßigen Speed-Konsum durchziehen können. Das war sehr ambivalent: Ich wusste, ich nehme da eine Droge – aber ich habe auch besser funktioniert.
Meine Freundin hat mich grundlegend strukturiert. Das habe ich nicht zu schätzen gewusst. Sie fand einen neuen Partner, und ich stand plötzlich allein mit der Firma da. Dann bin ich in die Erfurter Drogenszene abgerutscht und habe schnell abgebaut. Ich hatte noch ein Büro, aber keine Wohnung mehr. Also habe ich auf vier Bürostühlen geschlafen. Und dann ist innerhalb weniger Wochen mein gesamtes Umfeld auf Crystal Meth umgestiegen. Ich auch.
Die Wirkung ist extrem. Ich war tagelang wach und stand vollkommen neben mir. Ich habe fünf Jahre lang konsumiert, am Ende mit der Spritze. Das war der totale Absturz. Ich war kurz vor einer Überdosis. Da habe ich gedacht: Was mache ich hier eigentlich?
Ich flüchtete aus Erfurt, ließ Crystal hinter mir und ging nach Berlin. Dort setzte ich mich zum ersten Mal mit ADHS auseinander – das war eine Offenbarung. Doch mein Leben blieb chaotisch und ich nahm weiter Drogen.
Das Jobcenter finanzierte mich, aber ich war chronisch schlecht zu erreichen. Deshalb bekam ich mehrfach Sanktionen, teilweise wurden mir Leistungen komplett gestrichen. Ich saß ohne Strom in meiner Wohnung. Das Jobcenter war direkt gegenüber. Ich bin rübergegangen, um meine Situation zu klären. Die Mitarbeiterin knallte mir einen Stapel Briefe auf den Tisch und sagte: „Sie wohnen am nächsten dran, aber wir können Sie am schlechtesten erreichen.“ Aber sie meinte es gut mit mir, trieb mich an, meine Lebensführung zu stabilisieren.
Dabei half mir auch ein älteres Ehepaar, das mich aufnahm und mir Struktur gab. Der eigentliche Wendepunkt kam aber erst durch eine schwere Lungenerkrankung. Ich hatte meinen Suizidtermin praktisch schon eingeplant, doch dann kam der Lebenswille durch. Ich habe an einem Tag mit Speed, Cannabis und Zigaretten aufgehört. Seit drei Jahren bin ich clean. Stattdessen nehme ich heute ärztlich verschriebene Medikamente.
Ich werde nie wieder 40 Stunden arbeiten können. Dafür habe ich zu sehr Raubbau an meinem Körper getrieben. Aber ich kann wieder arbeiten. Ich möchte mit meinen Erfahrungen andere Menschen unterstützen, die Krisen durchmachen. Dafür plane ich, nächstes Jahr einen Job im sozialen Bereich anzufangen. Das wird gut.
Mit Stern gekennzeichnete Namen wurden auf Wunsch der Gesprächspartner geändert. Sie sind der Redaktion bekannt.










