Das Great Barrier Reef ist mehr als ein Naturphänomen. Jetzt ist es für einen UN-Ehrenpreis nominiert – und könnte unsere Sicht auf die Natur verändern.
Zwei, drei kräftige Schläge mit den Flossen, und die Schnorchler tauchen in eine andere Welt ein. Schon beim ersten Abtauchen gleitet eine Unechte Karettschildkröte vorbei. Zwischen den Korallen tanzen kunterbunte Fische – unbeeindruckt von den Maskengesichtern und Selfiesticks, die mancher Tourist mit ins Wasser nimmt. Master Reef Guide Ben weist der Gruppe den Weg. Er schwimmt entlang der Korallenstöcke, die teils in tiefem Blau oder Lila schimmern, vorbei an Anemonen mit schwenkenden Armen, Papageienfischen und einem kleinen Riffhai, der seine Kreise zieht. Dann zeigt Ben auf eine Koralle, knapp unter der Oberfläche. „Die hat kürzlich ein Bleaching erlebt“, ruft er den Schnorchlern im Wasser zu: „Aber schaut – sie erholt sich schon!“
Für viele Besucher des tropischen Nordens im australischen Queensland beginnt das Riff-Abenteuer mit einer Bootsfahrt: Täglich starten Touren ab Cairns oder dem nördlich gelegenen Port Douglas. Rund zwei Stunden dauert die Überfahrt zum Outer Reef – eine Strecke, die je nach Jahreszeit bei starkem Wind selbst den stabilsten Magen ins Wanken bringen kann. Das üppige Frühstück im Hotel sollte man sich vorher besser sparen, damit das Abenteuer nicht mit einer Tüte in der Hand endet.
Ben Taylor arbeitet an Bord der „Passions of Paradise“, für einen der vielen Tourenanbieter in Cairns. Er bietet den Passagieren ein spannendes Erlebnis an: Sie können sich an seiner Seite ein Bild von der Arbeit machen, die Meeresbiologen am Riff leisten, darunter: Fische zählen und dokumentieren. „Je mehr man über etwas lernt, desto mehr verliebt man sich und fühlt sich verpflichtet, es zu schützen“, erzählt er mit sichtlicher Begeisterung.
Bevor es ins Wasser geht, gibt Ben seiner Gruppe einen Überblick über die Lebewesen im Ozean. Schon bald kommen erste kritische Fragen zum Zustand des Riffs. Sind viele der Korallen schon abgestorben? „Das Riff ist nicht tot, aber Teile der Korallen bleichen aus“, erklärt Ben. Der menschengemachte Klimawandel belastet das Riff enorm. Auch durch andere Faktoren wie Fischerei und Entwicklung der Küstengebiete ist es bedroht. Dennoch seien die Korallen und ihre Bewohner unfassbar widerstandsfähig und wunderschön, sagt Ben.
An der ausgewählten Stelle des Riffs angekommen, schaltet der Bootsführer den Motor aus. Der Ozean ist plötzlich ganz ruhig. Taucher und Schnorchler haben sich bereits ihre Stinger-Suits gegen Quallen angestreift. Bewaffnet mit GoPros, Maske und Flippern wanken sie zum Heck des Bootes und warten auf das Signal, dass es losgehen kann. Schließlich springt auch Ben mit seiner Gruppe ins 28 Grad warme Meer.
Das Riff ist nicht nur ein Lebensraum für unzählige Meeresbewohner, sondern spielt schon seit Urzeiten eine Rolle für das ökologische Gleichgewicht der Region. „Ein Lebewesen bringt Leben hervor. Genau das tut dieses Riff – still, beständig und seit Jahrtausenden“, sagt Jeff Baines, Vorsitzender des Reef Guardian Councils, einer Umweltinitiative lokaler Regierungen in Queensland, die durch nachhaltige Maßnahmen zum Schutz des Great Barrier Reefs beiträgt. „Wir müssen aufhören, das Riff wie eine Kulisse zu behandeln“, so Baines.